Foto: "Der goldne Topf" in Esslingen: Timo Beyerling (Heerbrand), Daniel Großkämper (Paulmann) und Alessandra Bosch (Veronika). © Björn Klein
Text:Manfred Jahnke, am 15. September 2019
Nach dem großartigen surrealen Bildertheater von Achim Freyer am Staatstheater Stuttgart, nach Inszenierungen etwa am Theater Aalen und am Theater Baden-Baden, in denen der Student Anselmus sich zwischen virtuellen Welten und der (bürgerlich-biedermeierlichen) Realität entscheiden muss, geht es nun an der Württembergischen Landesbühne Esslingen nur um die Liebe. Und zugleich ist die Aufführung in der Regie von Jenke Nordalm diejenige, die von den genannten am nächsten am Text von E.T.A. Hoffmann bleibt. Die Rede ist vom „goldenen Topf“, in Baden-Württemberg für vier Jahre Abiturthema im Fach Deutsch. Dieses Plädoyer des Autors einer „dunklen“ Romantik für ein „Leben in der Poesie“, wie es im Schlusssatz des Märchens heißt, wird in Esslingen zu der handfesten Geschichte eines Mannes, der sich zwischen zwei Frauen entscheiden muss, zwischen Veronika, die von einer bürgerlichen Zweisamkeit träumt (resolut verkörpert von Alessandra Bosch), und der Schlange Serpentina, die das Versprechen einer magischen Welt in sich trägt. In der Ausstattung von Vesna Hiltmann wird im grünglitzernden Kostüm allerdings die Serpentina der Mira Leibold eher zum Abbild von Männerphantasien. Und die Haupthandlung spiegelnd steht auch Veronika zwischen zwei Männern: Anselmus und Paulmann.
Die Regisseurin Nordalm teilt den (gekürzten) Text von Hoffmann in chorische und Solopartien auf. Das gelingt dramaturgisch einleuchtend, findet aber in der Sprechtechnik und der Bebilderung der Szene Grenzen. Wenn es um Emotionen geht, wird geschrien, was eine aggressive Grundstimmung erzeugt. Einen ruhigen Gegenpol findet die Inszenierung nicht. Der Bühnenraum ist abstrakt gestaltet. Am Anfang leuchtet hinten ein Bild von der Elbe in der Abenddämmerung, ansonsten begrenzen Vorhänge aus weißen Schnüren den Bühnenraum. Videoprojektionen und herabhängende Schriftbahnen, die von der Liebe des Salamanders Archivarius und der Lilie berichten, ergänzen die Szene. Die Kostüme sind neutral-gegenwärtig, sommerlich-sportiv, alle tragen Turnschuhe und einzelne Handschuhe. Auftritte aus dem Zuschauerraum betonen, wie nahe die Geschichte, die dieses Märchen erzählt, beim Publikum ist – trotz des alten Sprachduktus.
Nordalm konzentriert sich auf die Sprache und ihren (verschrienen) Emotionsgehalt. Es erzählt sich nur wenig über szenische Bilder. Da huscht denn einmal das Ensemble mit Einkaufstüten über die Bühne, da stolziert Timo Beyerling als Archivarius mit grotesken Bewegungen aus der Hüfte heraus durch die Szene. Zum Schluss hin eignen sich Daniel Großkämper als Hofrat Paulmann und Alessandra Bosch als Veronika anlässlich ihrer Hochzeit vogelartige Kopfbewegungen an. Musik gibt es auch, von Ulf Steinhauer. Da wird dann auch englisch gesungen. Eine gelungene Szene ist der Kampf zwischen Gut und Böse: Timo Beyerling als Archivarius haut in die Saiten und besiegt so die böse Rauerin, die auch von Mira Leibold verkörpert wird. Eine der wenigen Szenen, in denen das Spiel sinnfällig wird.
Julian Häuser performt den Studenten Anselmus. Der Student ist eine schwierige Rolle, weil er, von sich aus kaum aktiv, eher zum Spielball der Anderen wird. Er muss einen Erkenntnisprozess spielen, der ihm den Weg in die Poesie ermöglicht. Nach anfänglichem Selbstmitleid spielt Häusler den Staunenden, ein großes Kind, der die große Liebe als Geschenk nimmt. Und das ist sie ja, er kann mit ihr im sagenhaften Land Atlantis die Welt der Poesie erforschen. Aber diese Geschichte interessiert die Regie leider nicht wirklich.