Text:Isabell Steinböck, am 19. April 2011
Das Gesicht des Tänzers ist zu einer Grimasse verzerrt, in der Hand hält er ein Mobiltelefon – sein perfekter Joystick in virtuelle Welten. Mit offenem Mund, grinsend wie ein Clown, manipuliert der Mann in schwarzem Anzug und rot-weißem Ringelshirt seine Mitmenschen. Eine Armbewegung genügt, und Frauen wie Männer türmen sich hinter ihm zu einer Pyramide auf, ein kurzer Wink mit der Hand, und sie stürzen wieder in sich zusammen.
„Flash Mob“ ist der Titel des neuen Tanztheaters von Henrietta Horn, das im Theater Bremen uraufgeführt wurde. Die Choreografin beschäftigt sich mit realen Zusammenkünften, genannt „Flash Mobs“, virtuell organisiert über Facebook oder Twitter, abrufbar per Computer oder Handy. Horn, die noch bis vor zwei Jahren gemeinsam mit Pina Bausch die künstlerische Leitung des Essener Folkwang Tanzstudios innehatte, arbeitet für „Flash Mob“ zum ersten Mal mit den Bremer Tänzern zusammen und präsentiert das Ensemble in Topform. Die zehn Tänzerinnen und Tänzer überzeugen, gerade auch im theatralen Ausdruck, wenn sie autistisch vor PCs und Handys sitzen, bis ein Impuls von außen sie erneut in Bewegung bringt.
Den Bühnenraum füllen Videoprojektionen, die wie Metaphern für die Macht vernetzter Strukturen wirken. Ein weicher Krake wabert über den Meeresboden, die langen Arme tastend und suchend ausgestreckt; Haie gleiten durchs Wasser, auf der Suche nach ihrem nächsten Opfer. Die Tänzer nehmen die animalisch-fließenden Bewegungen auf, zeigen exakt choreografierten Tanz, allein, zu zweit oder im Kontext der Gruppe.
Henrietta Horn inszeniert ihr Tanztheater mit leichter Hand und amüsiert das Publikum immer wieder durch absurd-komische Momente. Etwa wenn sich der naive Tim (Tim Gerhards) alias „Killerflummi“, „extrem männlich“ aber einsam auf die Suche nach Freunden macht. Oder wenn sich Robert Przbyl als Couch-Potatoe ächzend und stöhnend auf weichen Polstern quält – Höhepunkte einer rundum gelungenen Produktion.