Diese 100-jährige Geschichte haben sich die Regisseurin Sara Ostertag und ihr Ensemble vorgenommen. Sie beginnen mit einer kargen, nicht uncharmanten, ästhetizistisch-asketischen Ensemble-Performance im Volx, die von ferne an das Agitprop-TTheater der 70er erinnert. Der linke Grundton trifft auf Wut, Tempo, Dynamik, Körperarbeit und raunzigen Humor. Dann geht es ins Viertel, in die unterschiedlich alten Bauten. Es wird erklärt, gespielt, gesungen. Es geht um das Bauen und Abreißen großer Wohnanlagen an sich, um das Wohnen in diesen, um Verhältnisse, die sich ändern und Häuser, die sich nicht ändern.
Das alles ist hervorragend gefilmt – Bild, Ton, Kameraarbeit. Vielleicht auch, weil es sich um einen Mittschnitt der Endproben habdelt, mutmaßlich zu dokumentarischen Zwecken, herrscht genau diese Anmutung: Es wird nüchtern eine Theateraufführung filmisch nachvollzogen. Ohne jeden Theatertrick. Da schaut man etwa gefühlt insgesamt eine halbe Stunde zu, wie irgendwelche Leute in irgendwelchen Treppenhäusern darauf warten, dass es weitergeht.
Wenn sich dann eine Gemeindebautür öffnet, begegnet man nicht nur der lokalen Zeitgeschichte, sondern auch den Erfindungen der 2018 verstorbenen Wiener Kinder- und Jugendbuchautorin Christine Nöstlinger, von der „feuerroten Friedreike“ über „Wir pfeifen auf den Gurkenkönig“ bis hin zu „Konrad aus der Konservenkiste“. Nöstlingers Geschichten sind häufig Geschichten von sogenannten kleinen Leuten, spielen häufig in Wien, lassen ihre Figuren häufig vom Glück träumen, ohne dass je mehr als ein Zipfel von ihm eintrifft.
So scheint beides zusammenzupassen, das Literarische und das Dokumentarische. Der Eindruck täuscht nicht, aber die Breite und Tiefe der Themen und die schiere Menge des Materials haben Sara Ostertag verführt, ihre spannende Spurensuche auf drei Stunden auszudehnen. Und auf dieser langen Strecke gehen ihr schlicht die theatralischen Mittel aus, kriegt sie die Räume nicht mehr mit neuen Impulsen gefüllt, was hier durch die durch die Verfilmung einerseits aufgehobenen, andererseits neu geschaffenen Distanz besonders stark ins Gewicht fällt. Zumal „Haummas net sche?“, wie viele ähnliche Projekte eher ein Stationenabend mit Reihenstruktur ist, heißt: viele kostbare Momente, viele wiederkehrende Motive, auch zunehmende Verdichtung, aber keine wirkliche Steigerung, keine Konzentration durch Vertiefung. So zieht es sich doch mehr als ein wenig am Bildschirm, obwohl das Ensemble auf sehr hohem Niveau geschlossen agiert, angeführt von der sehr energetischen, zudem in multiplen musikalischen Stilen mitreißenden Kathrin Kolleritsch.
Ein spannendes, Wissen vermittelndes und in Frage stellendes Projekt. Ich werde einiges nachlesen über den Wiener Gemeindebau und vielleicht auch noch mal einen Nöstlinger-Band in die Hand nehmen. Und ich hätte der performance live vermutlich noch mehr abgewinnen können.