Foto: "Andrej Rubljow" am Schauspiel Köln © Sandra Then
Text:Bettina Weber, am 7. April 2014
In der Kindheit liegt so mancher Hund begraben. Vielleicht ist das der Grund, weshalb Regisseur Robert Borgmann die Adaption des Films „Andrej Rubljow“ damit beginnen lässt, den Zuschauern einen Morgen in der Kindheit des Titelhelden zu zeigen: Aufstehen, Anziehen, Frühstück mit der Mutter. Ein Leben in einer modernen, ärmlichen Wohnung, die, zum Publikum hin verglast, wie ein riesiges Memorial den vierstündigen Abend lang das Bühnenbild beherrscht, jedoch weitgehend ungenutzt bleibt (Bühne: Robert Borgmann). Die Geschichte Andrej Rubljows ist die eines orthodoxen Mönchs und Ikonenmalers (angelehnt an die historische Figur, die um 1400 lebte). Äußerst talentiert zieht er aus, um gemeinsam mit dem griechischen Maler Theophanes die Verkündigungskathedrale in Moskau auszumalen. Doch all das Leid, die Hungersnöte und die rohe Brutalität der Menschen lassen ihn schließlich aus Verzweiflung die Malerei aufgeben. Erst als er inmitten einer Pestepidemie einem jungen, unerschrockenen Glockengießer zusieht, dem ohne Erfahrung eine großartige Glocke gelingt, gewinnt Rubljow sein Vertrauen in die Kunst und die Menschen zurück.
Andrej Tarkowskijs Film „Andrej Rubljow“, in den sechziger Jahren gedreht, ist eine bildgewaltige, übergroße Vorlage: Dem würgenden Griff der UdSSR-Zensur entkam der Film verändert, aber letztlich schadlos und wurde 1969 in Cannes mit dem Preis der internationalen Filmkritik ausgezeichnet. Ein cineastisches Monument, ästhetisches Unikat und gesellschaftskritisches Denkmal gleichermaßen. Allerdings ist das prächtige, eindrückliche Bildwerk schwer zugänglich. In loser Folge reiht sich Lebensepisode an Lebensepisode, viele Zusammenhänge muss sich der Zuschauer selbst erschließen.
Vor allem auf die Bildgewaltigkeit hat es offenbar auch Borgmann bei seiner Adaption auf die Bühne und in die Gegenwart am Schauspiel Köln abgesehen. Um dem beizukommen – zugegebenermaßen eine große Herausforderung – arbeitet er mit diversen bekannten Mitteln der modernen Bühnenkunst: mit großen graphischen und filmischen Videoprojektionen, variantenreichen Lichteffekten, Live-Musik. Ihm gelingt damit vielleicht kein innovativer, dafür aber ein eindrücklicher, schöner Abend – allerdings nur in optischer Hinsicht. Ansonsten bleiben viele Fragen offen. Die wichtigste lautet wohl: Wozu die Ausdehnung des rund dreistündigen Films auf vier Stunden Schauspiel? Der Text von Anja Nioduschewski erzählt die Geschichte des Films weitgehend nach. Hier und da wird die Reihenfolge der Episoden vertauscht, die Sprache aktualisiert. Viel mehr ist da nicht. Als Ergänzung des filmischen Materials dienen die Erinnerungen an Andrejs Kindheit, Traumszenen mit seiner Mutter und Erlebnisse in der Natur als inspirierendes Moment für den Künstler. Eine Hommage an die Biographie des Filmemachers Tarkowskij? Eine psychologische Studie? Als der junge Andrej Rubljow (hier gespielt von einem kleinen Jungen) in der zweiten Hälfte des Abends ans Kreuz gehängt wird, nutzt Borgmann immerhin noch einmal den großen Wohnraum auf der Bühne. Und wenn Andrej und Theophanes über ihren Glauben sprechen, wird deutlich, wie viel inhaltliches Potenzial der Film bietet, wie viele Themen zur Verhandlung stünden und doch außerhalb einzelner Dialoge kaum angefasst werden: die Malerei, die Religion, die Gesellschaft. Das Ensemble muss sich stundenlang bemühen und erschöpfen, ihnen und dem kleinen Jungen am Kreuz fliegen mitleidige Blicke zu. Gelegenheit, volle Fahrt aufzunehmen, bekommen die Schauspieler in Ermangelung einer ausgefeilten Personenführung leider nicht. Niklas Kohrt immerhin gelingt es, dem Andrej trotzdem Profil zu verleihen. Leise lacht das Publikum über Julischka Eichels komische Einlagen als Stumme, dankbar für ein bisschen Unterhaltung. Am Ende schließlich jubeln wenige und gähnen viele.