Diese Wut, diese Enttäuschung durchziehen die gesamte Aufführung, die eine sehr persönliche Collage aus Erfahrungen, Gedanken, Ängsten und Hoffnungen der jungen Aktivistinnen und Aktivisten ist. Verena Regensburger lernte die Jugendlichen, die zwischen 10 und 19 Jahren alt sind, auf einer Friday’s For Future Demonstration kennen und erarbeitete die Performance gemeinsam, um den Jugendlichen eine Stimme – ihre Stimme – zu geben. Es ist bewundernswert zu sehen, mit welch komplexen Dingen sich die Jugendlichen beschäftigen, wie reflektiert sie sind, ohne aber selbst tatsächlich handeln zu können. Anders als der Titel nahelegt, machen die Jugendlichen deutlich, dass es nicht sie sind, die die Zukunft retten können. Sie können (meist) noch nicht wählen und befinden sich in keinen Entscheidungspositionen. Was sie fordern, ist, gehört und ernstgenommen zu werden und zu handeln, um ihre Forderungen umzusetzen; Forderungen, die uns alle betreffen und insofern eine generationsübergreifende Solidarität benötigen. Es geht an diesem Abend längst nicht nur um das Klima, sondern um komplexe Querverbindungen: Das Klima hängt unmittelbar mit Flucht, Rassismus und Diskriminierung zusammen, was wiederum zur Gleichberechtigung aller Menschen und sozialer Gerechtigkeit führt – alles Themen, die ein Umdenken benötigen.
Handlung wird von allen gefordert, auch oder insbesondere von denen, die sich auf ihren Privilegien ausruhen. Denn der Besitz von Privilegien heißt nicht, sich nicht gegen Ungerechtigkeiten, Diskriminierungen und für ein besseres Klima einsetzen zu können. Eine Erfahrung noch nicht gemacht zu haben, bedeutet nicht, dass es sie nicht gibt, und es meint auch nicht, sich davon zu distanzieren. „Ich bin nicht die Person, die in der Supermarktschlange mit dem N-Wort beschimpft wird“, „Ich bin nicht das Kind, das auf der Flucht seine Eltern verloren hat“, „Ich bin nicht das Mastschwein, das in seiner Box keinen Platz hat, sich umzudrehen, obwohl es sich schon wundgelegt hat“. Auch wenn diese Beispiele die meisten von uns nicht betreffen, können wir im Supermarkt sagen: „Es gibt keinen Platz für Rassismus“; wir können uns für Geflüchtete einsetzen und die Gründe ihrer Flucht verstehen, wir können nachhaltig leben. Die jungen Aktivistinnen und Aktivisten sind optimistisch, dass in der Gemeinschaft, in einem generationenübergreifenden Umdenken und einem sozialen Wandel die Hoffnung für eine bessere Welt liegt – a better world is possible!
Wie auch Greta dies tut, bringen die Jugendlichen ihre verlorene Kindheit zur Sprache, bildlich dargestellt durch ein die Bühne einnehmendes, aber dennoch leeres Karussell. Anders als ich meine Kindheit noch genießen konnte (geboren 1990 und ich bin mir sicher, dass ich mich mit 10 Jahren und auch mit 15 Jahren noch nicht mit dem Klimawandel beschäftigt habe), da eine andere Sorglosigkeit und vielleicht Naivität herrschte, beraubt man junge Menschen heute ihrer Kindheit und lastet ihnen früh eine enorme Verantwortung an. Sie sind es gerade, die auf die Straße gehen und, ohne überhaupt wirklich handlungsfähig zu sein, sich für die Zukunft der Welt einsetzen. Um eine Zukunft, vor allem ihre Zukunft, formen zu können, müssen sie mutig sein und ihre Angst nicht zu Passivität und Resignation werden lassen. Für ihren Kampf benötigen sie aber die Unterstützung aller, und genau dazu rufen sie in ihrer Performance auch auf.
Vielleicht – und man kann es nur hoffen – rüttelt die „Coronakrise“ die Menschen wach, vielleicht sehen sie, wie auch Pandemien und Epidemien mit einer Ausbeutung der Welt zusammenhängen, wofür allein der Mensch die Verantwortung trägt. Es wäre den jungen Aktivistinnen und Aktivisten und uns allen zu wünschen, dass dieser Ausnahmezustand vielleicht zu einem Umdenken führt.