Foto: Alexandra Sinelnikova, Aysima Ergün, Maryam Abu Khaled, Jonas Dassler, Orit Nahmias in "Planet B" © Stefano Di Buduo
Text:Barbara Behrendt, am 9. Juni 2023
Yael Ronen und Itai Reicher haben nach ihrem Debattenmusical „Slippery Slope“ jetzt die Komödie zur Klimakrise vorgelegt. „Planet B“ ist eine komische, rasante Science-Fiction-Game-Show, die keinen Zweifel lässt: Der Mensch hat’s verkackt.
Eine Handvoll Aliens betritt die Bühne und damit den Planeten Erde: eine kreisrunde Scheibe in Schieflage. Die Außerirdischen haben die Gestalt von Menschen mit knalllila Pilzkopf-Frisuren angenommen, um uns zu zeigen wie er aussah, dieser Mensch. 40 Millionen Jahre ist es her, dass der letzte seiner Art die Erde durchstreifte. Die Homo Sapiens, werden wir aufgeklärt, besaßen noch Genitalien und mussten sich gegenseitig penetrieren um sich fortzupflanzen. „Ein komplexes Ritual, bei dem DNA ausgetauscht wurde und von dem wir glauben, dass es Tage, ja manchmal Monate gedauert hat.“
Reality Show ums Überleben
Mit den Mitteln eines seltsamen Rituals, genannt „Theater“, sollen die letzten Tage der Menschheit erzählt werden. Und so wird die Erdscheibe zur Showbühne. Die Erde war damals nur ein kleiner Forschungsplanet der Aliens, auf dem die Menschen alles derart zerstört haben, dass das Projekt abgebrochen wurde. Ausgerechnet bei einer Reality Show mussten die Arten zur Unterhaltung der Aliens ums letzte Überleben kämpfen. Als Vertreter der Menschheit wurde ein gewisser Boris Baumann ausgewählt.
Niels Bormann spielt diesen Boris nun mal wieder als den netten, deutschen Spießer, der sich für den Nabel der Welt hält. Mit Panda, Huhn, Ameise, Fuchs, Krokodil und Fledermaus konkurriert er in „Gruppe H“ der Show um den Platz auf der Erde. Ein digitaler Messbalken zeigt an, wer bei Rot steht und von der schrägen Bühne in den Abgrund rutscht.
Itai Reicher und Yael Ronen haben eine hochtourige Komödie geschrieben, schräg und albern. Allein schon, weil sechs Schauspieler:innen sechs Tiere vermenschlichen: Da ist der depressive Panda, der es satt hat, als Motiv für Zoo-Tassen herzuhalten; das woke Stadtfuchs-It-Girl, nur Peter Fox sei berühmter; die Ameise auf Identitätssuche. Manchmal gerät der Wortwitz allzu flach, wenn der Fuchs sich in etwas hineinfuchst oder der Panda-Bär sein Leben „unbearable“ findet. Doch wie schlecht der Mensch trotz aller Hybris auf der Talente-Skala abschneidet und keine Chance auf Überleben verdient, ist hintersinnig.
Science-Fiction-Komödie mit Gorki-Stars
Anders als bei Ronens Debattenmusical „Slippery Slope“ steht die Musik nicht im Vordergrund. Nur Jonas Dassler singt als verkannte Künstler-Gruftie-Fruchtfledermaus Rockballaden, bevor er sich zum Schlafen an die Stange hängt – der Schmerz übers Aussterben belebt die Kunst. Die Dassler-Fledermaus mit Udo-Lindenberg-Scheißegal-Intonation gehört zum Besten des Abends. Überhaupt lebt die Inszenierung von den Gorki-Stars. Orit Nahmias hat als Legebatterie-Surviver-Huhn eine eher kleine Rolle. Dimitrij Schaad dagegen haut als mansplainendes Krokodil auf den Putz, das mit toxischer Männlichkeit die alten Zeiten zurücksehnt. Man könnte meinen, es würde nicht das Aussterben von Tier- sondern von Menschenarten verhandelt. Denn die Männer alten Eisens taugen hier genau so wenig für die neue Welt wie der depressive Panda.
Intellektuell hilft der Abend bei der Klimakrise kein Deut weiter. Doch er zeigt fabelhaft, dass sich der lächerliche Umgang des Menschen mit dem Ende der Erde viel besser als rasante Science-Fiction-Komödie erzählen lässt, denn als Zeigefinger-Apokalypse. Der Mensch als doofste Spezies von allen, die sogar ihr Überleben selbst vermasselt – eine herrlich komische Ausgangslage.
Böse wird es zuletzt dann auch noch. Der Mensch darf zwar auf die Erde zurückkehren – nur ist da nichts mehr, was die Rückkehr lohnt. Nächste Station: Planet B. B wie Biene. Was die Bienen mit Boris Baumann vorhaben, wird nicht gespoilert. Überleben wird er es jedenfalls nicht.