Foto: Martin Sperrs "Die Spitzeder" am Theater Regensburg. Susanne Berckhemer (Adele Spitzeder), Michael Heuberger (Wirt), Janina Schauer (Emilie Stier) © Juliane Zitzslperger
Text:Christian Muggenthaler, am 29. Mai 2013
Es ist ein Experiment: Bankenkrisendarstellung mit den Mitteln des Bauerntheaters. Bankenkrise, umgesetzt als unterhaltsames Geschichtswerk über eine kleinbürgerliche Hochstaplerin aus dem 19. Jahrhundert im Innenhof eines Regensburger Großbügerhauses. Ein Zusammentreffen der Zeitdimensionen, nach dem eine Erkenntnis übrig bleibt: Wirtschaftsabschwünge, platzende Investitionsblasen, Schwarze Freitage und was da der ökonomischen Erschütterungen mehr sind, sind keine Naturereignisse, sondern Folgen einer Mischung aus Gier und Dummheit. Die kirchenmausarme Adele Spitzeder, Haupt- und Titelfigur im gleichnamigen Volkstheaterstück von Martin Sperr, verspricht den Leuten fulminante Zinsen für ihr Geld, die es deshalb in Scharen zu ihr tragen. Sie genießt, derart finanziert, das süße Leben und kann, als Panik ausbricht und die Leute ihr Geld wiederhaben wollen, nichts zurückzahlen. Sperrs Analyse: Spitzeder ist keine große Ganovin. Es ist das Wirtschaftssystem, das eben so und nicht anders funktioniert.
In Regensburg wird derlei Bankenauskunft durch keinerlei Abstraktionen hochgerechnet, Regisseur Michael Bleiziffer bleibt in seiner Darstellung von Sperrs selten gepieltem Stück konsequent naturalistisch, dialektkrachert, biedermeierlich plan und vertraut der Analysefähigkeit seines Publikums. Wenn schon Genretheater, dann richtig. Und wenn schon, wie der Autor das vorgibt, sanfte Kapitalismusrüge mit den Mitteln der Dialektschnurre, dann mit allen dazugehörenden Drum und Dran, denn die Fallhöhe vom vertrauten, krachigen Komödienstadeloutfit in historisierendem Geschichtsdokugewand (Kostüme: Uschi Haug, Bühne: Dorit Lievenbrück) zum Aufklärungsinhalt über den Zusammenhang vom Glauben ans Geld und dem Schwindel der Banken gelingt so erst richtig. Es macht Spaß, dieser Schaumschlägerin zuzusehen, ihrer Prasserei mit Schampus, Cremetorte und ausgehaltenen Freundinnen, vor dem Hintergrund des Wissens um Sonderboni für Bankmanager und allzu vertrauensseligen Kleininvestoren.
In Regensburg verkörpert Susanne Berckhemer diese Bankenlady voller Inbrunst der Unschuld: Sie lacht gern, diese Betrügerin, weil sie von sich selbst ehrfürchtig entzückt und der alleinige Richtwert im Bühnen-Dax ist. Auf sie richtet sich alle Handlung aus, Sperrs Geschichte verstrickt sich kaum in Nebenhandlungen. Bleiziffers Inszenierung unterstreicht das, richtet bewusst sämtliche Nebenfiguren auf sie hin aus, so dass die oft nur zu Chargen ohne großem Eigengewicht werden, irgendwo zwischen kommod und schrill, wie man das vom Bauerntheater so kennt. Dennoch können sich Michael Heuberger als fieser Wirt und baldiger Spitzeder-Intimus und die großartige Janina Schauer als selten trampeliges Spitzeder-Betthupferl Emilie daraus hinausspielen. Alles zusammen ergibt ein erbauliches Sommertheater, das erstrangig der Unterhaltung gewidmet ist, als süffiges Geschichtsbild mit subtiler Unterströmung. Und siehe da: Bauerntheater kann ganz moderne Themen transportieren. Man muss sich nur trauen.