Ensembleszene

Burgparty mit Gespenstern

Lutz Hillmann: Spuk unterm Riesenrad

Theater:Deutsch-Sorbisches Volkstheater Bautzen, Premiere:06.06.2024

Lutz Hillmann hat nach der bekannten DDR-Fernsehserie „Spuk unterm Riesenrad“ eine zeitgemäße Fortsetzung geschrieben und selbst Regie geführt. Beim Bautzener Theatersommer im Hof der Ortenburg wird das zum großen Sommerspaß: mit reichlich historischen Assoziationen bis zum Feuerwerk-Finale.

Kann Theater selbstzerstörerischer beginnen als mit dem Auftritt der Schirmherren des Bautzener Theatersommers, dem Landrat und dem Oberbürgermeister, in einem bemühten Sketch? Ja, mit einem Animateur, der dem Publikum zum Warm-up zuruft, ob es auch reichlich gute Laune mitgebracht habe! In der Pause werden dann tatsächlich Reisekoffer und Fitnesscentergutscheine verlost. Da stellen sich sofort zwei Fragen. Die erste: Ist dies ein schwimmender Ferienclub? Die zweite: Haben Lutz Hillmann, der nicht nur Regie führte, sondern auch das Buch zu „Spuk unterm Riesenrad – Jetzt ist Bautzen dran“ schrieb, im 25. Jahr seiner Bautzener Intendanz alle gute Geister verlassen?

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Kinderferien auf dem Rummelplatz

Geister ist ein gutes Stichwort zur Beantwortung beider Fragen. Die Geister – der Riese Otto (István Kobjela), die Hexe Clara (Anna-Maria Brankatschk) und Rumpelstilzchen (Fiona Piekarek-Jung) – sind gerade erst versehentlich geweckt worden, durch drei Kinder, die von ihren Eltern zwecks digitaler Askese zu den Großeltern geschickt wurden, die die Geisterbahn „Dämonenexpress“ betreiben. Die Geschichte geht nun dort weiter, wo sie bei den Großeltern aufhörte, nämlich mit der bekannten DDR-Fernsehserie „Spuk unterm Riesenrad“.

„Erinnert ihr euch nicht an die Geschichte?“ – „Geschichte wiederholt sich nicht!“ Nein, aber ziemlich ähnlich erscheint so manches in der Wiederholung, das weiß jedoch nur jener DDR-Sozialisierte, der die vierzig überschritten hat. Das ist auch der Ansatzpunkt für Hillmann, der nicht die Absicht hat, die auf einer Erzählung von C.U. Wiesner basierende Kult-Fernsehserie von 1979 nachzuspielen. Ihm geht es um eine freie Improvisation über das Thema der Toten, die jede Gesellschaft irgendwo verborgen hält. Hier erfolgt nun deren Auferstehung in frei spielender, geradezu boulevardesker Lässigkeit.

Womit die zweite Frage beantwortet wäre: Nein, Hillmann haben die Geister nicht verlassen, aber er parodiert sie mit großem Ernst, wenn ihm ihre Dauerpräsenz unangenehm wird. Die erste Frage ist schwieriger zu beantworten: Ferienclub nein, aber eine Party – das schon. Genauer eine Burgparty, denn im Hof der Bautzener Ortenburg, jetzt Sitz des Oberveraltungsgerichts, wird gespielt. Und dazu muss man wissen, dass auch dies eine Wiedererweckung von etwas Vergangenem ist, das im Osten Legende war.

Jene sommerlichen Burgpartys im Mittelalterstil, aufgezeichnet im Hof der Moritzburg vom DDR-Fernsehen, Studio Halle, zwischen 1975 bis 1982. Dann ging dem Studio Halle das Geld aus, so hieß es jedenfalls, und die Sendung wurde eingestellt. Der eigentliche Grund war wohl eher, dass Armin Mueller-Stahl, der Gastgeber dieser aufwendigen Partys, die noblen Jahrmärkten glichen, die DDR verließ und ein Weltstar wurde.

Assoziationen quer durch die DDR-Geschichte

All das spielt hier mit Assoziationen quer durch die DDR-Geschichte und das Bautzen von heute. Der Unterhaltungsseligkeit sind bekanntlich keine Grenzen gesetzt. Und so folgen wir den drei Enkeln (Maja Adler, Janik Marder, Julia Klingner), die sich plötzlich den gleichen Geistern gegenübersehen, mit denen schon ihre Großeltern zu tun hatten. Ein schöner märchenhafter Bogen spannt sich so im an Überraschungen reichen Bühnenbild von Miroslaw Nowotny, in dem auch Kafkas „Das Schloss“ spielen könnte. Denn da, wo vor der Pause noch die Geisterbahn stand, erhebt sich danach eine Burg, deren Wände sich bis in die Verließe hinab mal öffnen, mal schließen. Dies ist ein Nachbau jener Burg, in der heute das sächsische Oberverwaltungsgericht residiert – und die sich direkt hinter der Bühne erhebt, auf geheimnisvoll-drohende Weise. Eine nicht nur für Bautzen symbolträchtige Dopplung.

In diesen kafkaesken Bau zieht es die drei Märchenfiguren und dort treffen sie auf die Gerichtspräsidentin und weitere anwesende Richter. Die drei Geister werden mit einer erwarteten Performancegruppe verwechselt: Ob „böser Zwerg“ sein Pseudonym sei, wird Rumpelstilzchen von der Präsidentin gefragt. Aber auch die drei Kinder sind da, die vorgeben, hier ein Praktikum für Verwaltungsrecht machen zu wollen. Diese Szenen, samt eines von der Hexe dirigierten Symphoniekonzerts (das an Loriots Ausflüge in dieses Genre erinnert) haben dann durchaus etwas von jenem höheren Aberwitz, den man sich gern als Party-Zutat servieren lässt.

Schließlich fliegen die Handys der drei Kinder in die Spree, an der nicht nur Berlin, sondern auch Bautzen liegt. Aber nein, das ist nun wirklich bloß ein Märchen, sie haben natürlich noch Ersatz dabei.

Ensembleszene. Foto: Uwe Söder

Eilig herbei geschaffter Sommer-Schnee fällt, damit die drei unruhigen Geister wieder friedlich im Märchen weiterschlafen können. Und weil dies schließlich die Ortenburg-Party ist, gibt es ganz zum Schluss noch ein Feuerwerk. Höchst merkwürdig diese Melange verschiedenster Zutaten, aber warum nicht: Es ist nun mal eine Sommernacht.