Was dann kommt, überrascht. Zuerst führen Männer Hosen vor, immer mal wieder auch teilentblößt. Später winden sie sich schön fallende, schön anzusehende Stoffe um verschiedene Körperteile und umgeben sich nach und nach mit orientalisch wirkenden Seidenstoffen. Perle Palombe ist zunächst auf der Hoochie-Bühne nicht zu sehen. Die ersten Zuschauer begeben sich nach hinten und sehen sie nackt. So geht es weiter. Ironische, ästhetisch reizvolle Verführung auf der Vorderbühne, professionelle, nie hektische, immer schnelle ausgestellte Umzüge dahinter. Immer schneller, immer reizvoller. Und immer wieder stehlen sich Butoh-Bewegungen hinein.
„Caen Amour“ ist insistierende Postmoderne, stellt die berühmte Frage nach der Authentizität auf selten intelligente Weise und befragt den Zuschauer intensiv und unnachgiebig nach seiner Rolle im und für das Theater. So gibt es nicht für alle Stühle. Viele müssen zunächst auf Kissen Platz nehmen. Nicht wenige begreifen das als Zumutung. Wenn sie die nackte Schauspielerin betrachten, gerät der eine oder andere ins Gaffen – und wird sich dessen bewusst. Nachdem viele durch Moderatorin und „Choreographer’s Notes“ bereits Orientierungsprobleme haben, wird auch noch ein ‚Trailer‘ angekündigt und dann angedeutet und macht uns zum Teil der Medienmaschine. Wieder trifft Butoh auf Orientalisches. Schließlich stehen Jägermeister und ähnliche Genussmittel in Miniaturflaschen bereit, um uns in Hoochie-Koochie-Stimmung zu bringen. Was halten die von uns, sollen wir uns fragen. Und trotzdem trinken. Die oft laufsteghaften Tänze reflektieren nicht nur Butoh und Hoochie-Koochie, sondern vor allem Geschlechterklischees und Sexismen, Orient- und Okzidentbilder, die sich so verfestigt haben, dass sie das Ende der Hoochie-Koochie-Shows locker überlebt haben. Dazu kommt die echte und doch gefakte Backstage-Situation, die genauso Doku-Drama ist wie Spiel mit der Illusion. So ist „Caen Amour“, was wenig war in den letzten Jahren Ruhrtriennale: unterhaltsam und bedenkenswert.