Foto: Ensembleszene © Felix Grünschloß
Text:Björn Hayer, am 23. September 2016
Man braucht sich nichts vormachen. In den seltensten Fällen mag die hehre Romantik, um sogleich das Klischee zu benennen, schwer vermittelbare, westliche Männer mit jungen Thailänderinnen zusammengebracht haben. Was ihm oftmals zur ersehnten Zweisamkeit verhilft, bedeutet für sie möglicherweise das Ende der Armut. Geld und Liebe, Zweckrationalität und Hoffnung, Bindungs- und Freiheitsdrang treffen eng aufeinander oder kollidieren eventuell sogar in der Phase der Ernüchterung.
Was es bedeutet, wenn Körper unterschiedlichsten und einander widerstrebenden Ansprüchen ausgeliefert sind, lässt sich an dem spartenübergreifenden Projekt „Happy Hunting Ground“ (Regie: Thanapol Virulhakul) beobachten, das in Kooperation mit dem „Democrazy Theatre Studio“ in Bangkok am Badischen Staatstheater erstmals auf eine europäische Bühne kommt. Aus Interviews mit westlichen Reisenden bzw. „Kunden“ und thailändischen Prostituierten, die der Theaterkritiker und Autor Jürgen Berger minutiös aufgezeichnet hat, ist nun eine Choreographie entstanden. Erinnernd an einen Turnhallenboden, befinden sich vier Asiatinnen (Vidura Amranand, Waywiree Ittianunkul, Jarunun Phantachat, Dujdao Vadhanapakorn) und zwei europäische Männer auf einem blauen Feld. Was sie eint, ist ihre Ertüchtigung. Es wird gejoggt, gedehnt, gekrochen. Zunächst jeder für sich, bis sich allmählich Annäherungen ergeben. Mal laufen die männlichen Protagonisten (Jens Koch und Luis Quintana) den jungen Damen hinterher, ein andermal springen oder klettern Letztere wiederum auf die Herren.
Allein diese teils bewusst sperrig inszenierten Begegnungen zeigen, dass sich nichts so recht fügen will. Zu weit auseinander liegen die Horizonte zwischen den Figuren. Der Dauersport zehrt an ihnen, zeugt von deren Versuchen, im Leben mehr oder weniger allein klar zu kommen oder die eigene Attraktivität zu erhöhen. Gleichwohl bleibt die Grenze zwischen West und Ost, versinnbildlicht in einer schmalen, roten Diagonalen auf dem Boden, bestehen. Und während der Regisseur seine Protagonisten, deren endlose Körperaktivität an Einar Schleefs „Das Sportstück“ (en miniature) erinnert, austoben lässt, hört der Zuschauer Interviews der Thai-Frauen und europäischen Freier. Man hört die Wünsche nach Familie, Behaglichkeit, einem sicheren Auskommen oder schlichtweg Berichte über sexuelle Vorlieben und Abneigungen, geprägt von tiefster, bisweilen erschütternder Ehrlichkeit. Diese O-Töne sind der wahre Schatz der Aufführung, die ansonsten kaum Variation bietet. Im Gegenteil: Die Darstellung bleibt allein auf das Körperliche reduziert, derweil die Texte weitaus mehr Bedeutungsraum und Weite zu erkennen geben. Der Inszenierung geht buchstäblich die Puste aus.