Foto: Nis-Momme Stockmanns "Tod und Wiederauferstehung..." in Karlsruhe © Felix Grünschloss
Text:Andreas Jüttner, am 25. Mai 2015
Komplexe Texte auf eine klare Geschichte zu komprimieren kann durchaus reizvoll sein – das hat am Staatstheater Karlsruhe in dieser Saison etwa Jan Philipp Gloger mit seiner Inszenierung von Elfriede Jelineks Textfläche „Schatten (Eurydike sagt)“ bewiesen. Allerdings muss sich dafür auch eine interessante Geschichte herausschälen lassen. Das ist bei Nis-Momme Stockmanns Text „Tod und Wiederauferstehung der Welt meiner Eltern in mir“ schon schwieriger, besteht der Clou hier doch gerade darin, dass eine eher simple Kernhandlung von ausufernden Nebenszenen, Abschweifungen und Variationen umflattert wird wie das Mietshaus, in dem sich die namenlose Hauptfigur niederlässt, von Taubenschwärmen.
Simone Blattner hat es dennoch versucht: Ihre Karlsruher Inszenierung erzählt, wie ein frustrierer Ex-Banker (Frank Wiegard) mit einem Koffer voller Bargeld sein altes Leben hinter sich lässt und darüber sinniert, das System durch eine Hyperinflation zu Fall zu bringen. Konfrontiert wird er mit einem kontrollfanatischen Vermieter (Klaus Cofalka-Adami), einem rätselhaften Mann mit Turban (Sebastian Reiss), seiner verbitterten Ehefrau (Amélie Belohradsky) und einer jungen alleinerziehenden Mutter (Florentine Krafft), die ihm sein Geld abluchst und dafür Plastiksprengstoff zurücklässt. Kontrastiert wird er durch die Auftritte eines Motivationstrainers (André Wagner), der von der Erotik des Geldes schwärmt, und den als Taubenschwarm auftretenden „Chor durchschnittlich informierter EU-Bürger“ (dargestellt durch junge Karlsruher/innen), der das so allgemeine wie folgenlose gesellschaftliche Unbehagen am Kapitalismus formuliert.
Das ist, vor allem in der ersten Hälfte, durchaus vergnüglich, da sich die Darsteller mit Verve und Virtuosität der Situation stellen, hier nicht mehr als Worthülsenträger zu sein. Welche Facetten Frank Wiegard aus der Rollenvorgabe eines selbstmitleidigen Jammerlappens herausholt, ist genau so ein Hingucker wie André Wagners schmieriger Verkäufercharme oder Klaus Cofalka-Adamis sportiv hingeschmetterte Blockwart-Pedanterie. Doch von Stockmanns „Szenensplittermonster“ (FAZ anlässlich der Uraufführung in Hannover 2012) bleibt nur ein zweieinhalbstündiger Abend mit grooviger Loungemusik (Christopher Brandt), dessen kabarettistische Spitzen gegen die Widersprüchlichkeit eines Lebens in einem ausbeuterischen System sich widerspruchsfrei abnicken lassen. Sicher: Theater muss keine Antworten geben. Aber ein paar Fragen, die man nicht schon im Foyer wieder vergessen hat, wären nicht schlecht.