Selbst Hagen wird nicht als Heldenmörder geboren, wie wir jetzt sehen. Schwarz geht so weit, dass es sogar sein Bruder im Geiste einer verkorksten, elternlosen Kindheit, nämlich Siegfried ist, der ihn zu einem ersten Mord verführt. Das Opfer ist Fafner. Der natürlich kein Wurm, sondern ein reicher alter Mann ist, der sich von viel Personal pflegen und dabei den griesgrämig ungerechten Fiesling raushängen lässt. Die Pflegerin, die waldvogelzwitschernd in Siegfried einen Ausweg für sich erkennt, kann ihm nichts recht machen. Wird aber immer wieder von ihm betatscht. Mimes Erziehungsprogramm, mit dem er aus Jung-Siegfried einen Fafner-Mörder machen wollte, war jedenfalls nur bedingt erfolgreich. Der Knabe – offensichtlich vom Luxus des Ambientes enthemmt, haut dem Alten zwar den Rollator weg, so dass der vor Schreck zusammenbricht. Aber er sticht nicht zu, und ist – das sei zu seinen Gunsten vermerkt – geradezu verdattert, dass niemand dem Alten aufhilft. Keiner vom Personal und auch nicht der inzwischen ebenfalls erwachsen gewordene Hagen, den wir in der Pilotfolge schon als renitenten Knaben im Walküren-Kindergarten kennengelernt haben. Die Vergleichbarkeit der im Grunde ohne elterliche Liebe verkorksten Kindheit dieser beiden fällt natürlich nur dann auf, wenn sie so sichtbar gemacht wird, wie jetzt durch die hinzugefügte stumme, aber nicht bedeutungslose Rolle des jungen Hagen (Branko Buchberger). Der begleitet Siegfried sogar zu seinem Erweckungsdate mit Brünnhilde, zieht sich erst (wer weiß, wohin) zurück, als es zwischen den beiden mit dem monströsen Liebesduett losgeht. Was hier sonst oft als ein musikalisch grandioses aber auch endlos langes Hin und Her aus will-sie, will-sie-nicht und traut-er-sich, traut-er-sich-nicht erscheint, wird hier auch nach Hagens Verschwinden personell aufgestockt. Brünnhildes treuen Heeen Grane (Igor Schwab) kennen wir schon. Der stößt Siegfried anfangs so barsch zurück, dass der zu dem Sexleporello greift, mit dem ihn schon Mime „versorgt“ hatte. Es ist ein für Valentin Schwarz typischer szenisch witziger Einfall, dass es erst Wotans Hut ist, den Brünnhilde (sie ist halt die klügste der Wotanstöchter) als versteckten Hinweis ihres Vaters entdeckt, dass Siegfried der ist, den er ihr gönnt. Wenn man sich allerdings in Erinnerung ruft, dass in der Saga, wie wir sie bislang verfolgen durften, noch nicht geklärt ist, wer Siegfrieds Erzeuger war, und auch Wotan selbst immer noch dafür in Frage kommt, dann gewinnt das „leuchtende Liebe, lachender Tod!“ nochmal an besonderen Beigeschmack….
Andreas Schager als Siegfrie: ein Genuss
Cornelius Meister trug einen Großteil zum musikalischen Glanz dieses „Siegfried“ bei. Die Orchesterpassagen fluten, umspülen, reißen mit. Andreas Schager liefert ein phantastisches Jung-Siegfried-Debüt – man mag manches, was er in der letzten Zeit geliefert hat, für zu laut und ungezügelt halten, aber sein Siegfried war ein Genuss, zumal auch Daniela Köhler die genau dazu passende Brünnhilde war. So viele so befreit und sicher losschmetternde Heldentenöre gibt es nicht. Tomasz Konieczny war als Wanderer wieder voll hergestellt (schien aber vorsichtshalber doch jedes Sitzmöbel auf Stabilität zu prüfen, auf das er sich langsam niederließ). Mit Olafur Siguardarson traf er beim Krankenbesuch bei Fafner auf seinen immer noch machtgierigen und vergnatzten Gegenspieler Alberich. Dass Wotan Erda nicht gleich erkannte, lag nicht an Okka von der Dameraus Gesang, sondern an dem Alterungsschub, den ihr die Maske verpasst hatte. Wolfgang Schwinghammer hätte man optisch auch nicht (stimmlich aber sehr wohl) als Fafner wiedererkannt. Arnold Bezuyen als Mime war immer noch der alte.
Wie sich das alles auflöst: Wir werden es demnächst im Festspielhaus erleben.