Am stärksten ist die Inszenierung bereits zu Beginn: Auf orangenen Sitzsäcken lümmelnd, erzählen sich die Darstellerinnen kurze Anekdoten von Momenten tiefer Scham. „Schuld empfindet man für etwas, das man getan hat, und Scham für das, was man ist“, sagt Irene Kugler in einem eindrücklichen Moment, von denen es in dieser Inszenierung allerdings zu wenige gibt. Denn schon springen die Schauspielerinnen zum nächsten Thema und referieren über den Unterschied zwischen Vagina und Vulva, über die weibliche Ejakulation und warum sie kaum je zur Sprache kommt, schließlich über schönheitschirurgische Eingriffe zur Verkleinerung der Klitoris.
Die einzige Leitlinie der eineinhalbstündigen Inszenierung ist die wiederkehrende Rubrik „Männer, die sich zu sehr für das interessieren, was als das weibliche Geschlechtsorgan bezeichnet wird“. Da ist vom Kirchenvater Augustinus die Rede, der in der christlichen Askese jeglicher Sexualität entsagte, nur um in der Abgeschiedenheit wütende Pamphlete gegen die weibliche Lust als Ausdruck des biblischen Sündenfalls zu verfassen. Von dem US-Arzt John-Harvey Kellogg, der sich nicht nur für die Entwicklung zuckriger Frühstücksflocken, sondern auch für die weibliche Onanie interessierte und propagierte, sie sei die Ursache verschiedener Krankheiten. Geschichten zum Kopfschütteln und zugleich traurige Beweise dafür, dass die Unterdrückung weiblicher Sexualität weder Zufall noch Folge von Ignoranz ist – sondern bewusst vorangetrieben wurde und wird.
Bei aller gebotenen Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit des Themas sei doch die Frage erlaubt: Macht diese Inszenierung Spaß? Nur sehr begrenzt. Der Grund: Es wird zu viel skandiert, zu viel gebrüllt, zu viel Stakkato im Chor gesprochen, während virtuosere spielerische Mittel nur selten zum Einsatz kommen. Verändert Autzens Inszenierung unseren Blick auf die Welt? Auf jeden Fall. Und zwar vor allem dann, wenn man die Erwartung eines Bühnenstücks im klassischen Sinne – mit Figuren, Dialogen, Spannungsbogen – schnell ad acta legt, und sich stattdessen auf eine bunte Agitprop-Performance einlässt, auf aktivistisch getriebenes Theater.
Dieses Theater will anprangern, demonstrativ und laut. Zu wenig Raum bietet die Comic-Inszenierung allerdings für die leisen und ebenso wichtigen Zwischentöne: für die Zerrissenheit derjenigen, die in einer Welt voller fremder Zuschreibungen ihren Weg finden müssen. Für ihr kleines, alltägliches Seufzen und Wimmern findet „Der Ursprung der Welt“ keine echte Stimme. In dem großen Aufschrei, der auf der Bühne ertönt, würde sie auch schlichtweg untergehen.