Foto: Szene mit Prinzessin Marie de Gonzague (Fabienne Conrad) und Marquis de Cinq-Mars (Mathias Vidal) © Tom Schulze
Text:Ute Grundmann, am 18. Mai 2017
Anthony Pilavachi inszeniert Charles Gounod Oper „Der Rebell des Königs“ an der Oper Leipzig.
Es beginnt mit dem Ende, als alle Hoffnung verloren ist. Marie steht in einem himmelblauen Kleid neben zwei offenen Särgen, in denen die abgeschlagenen Köpfe ihres Geliebten und dessen Freundes liegen. Wie allein auf einer Insel wirkt sie, die ihr hingehaltene Krone schlägt sie aus. So dramatisch und intensiv beginnt im Leipziger Opernhaus die Inszenierung von Charles Gounods „Der Rebell des Königs“, einer fast vergessenen Oper, die zuletzt 1878 in Paris auf der Bühne zu sehen war. Regisseur Anthony Pilavachi hat sie nun wiederbelebt, in einer Mischung aus Revolutionsdrama und höfischem Prunk.
Nach der düsteren, stummen Eingangsszene beginnt alles von vorne: Marquis de Cinq-Mars (Mathias Vidal) im höfischen Treiben, freundlich und quirlig, der Ratschläge erteilt, aber auch Intrigen spinnt, eine Atmosphäre aus Rivalität, Grausamkeit und Liebe, in der Prinzessin Marie (Fabienne Conrad) davon träumt, dass das Leben so schön hätte sein können. Die Szenerie dazu ist so prunkvoll wie das Werk: Ein goldener Bilderrahmen umschließt die Bühne, kunstvoll gemalte Treppenhäuser oder Wandelgänge bilden den Hintergrund (Bühne und Kostüme: Markus Meyer). Doch als das Volk Marie mit mächtigem „Reine!“-Ruf als künftige Königin feiert, erschrickt sie. Denn ihre Liebe gilt Cinq-Mars, doch Richelieu verbietet diese Verbindung, weil Marie Königin von Polen werden soll, was den Marquis zum Aufrührer gegen ihn macht, vordergründig im Interesse des Landes. Was ihn und Marie wirklich bewegt, zeigt die wunderbare Szene im (gemalten) Wald, in der Marie Natur und Firmament, vor allem aber sehnsuchtsvoll-ängstlich ihre Liebe besingt, der Marquis stimmt darin ein, die lange Szene voller Wendungen endet in einem vorsichtig-hoffnungsvollen Adieu, von dem beide ahnen, dass es nicht dazu kommen wird.
Doch die Dramatik und Spannung, die Werk und Inszenierung bis hierher aufgebaut haben, bricht dann völlig weg, zugunsten von höfischem Prunk und Gepränge. Ein großes Fest mit prunkvollen Roben, gemessenen Bewegungen, dazwischen immer mal kleine Verschwörergruppen, doch das Thema ist erst mal weit weg. Regisseur Anthony Pilavachi aktualisiert nicht, er schwelgt, wie auch die Musik, ganz in höfischem Glanz. Dazu noch eine lange Allegorie auf die Liebe, mit Prunkwagen und Ballett, und dem großartigen, von Alessandro Zuppardo einstudierten, Chor, der sich immer wieder zur Hofgesellschaft aufreiht. Das alles ist musikalisch wie szenisch gefällig, prachtvoll, vom Gewandhausorchester unter David Reiland auch prächtig gespielt, aber eben ohne die Dramatik des Anfangs.
Die kommt erst wieder auf, als Cinq-Mars und sein treuer Freund de Thou (Jonathan Michie) darüber streiten, was sie mit ihrer Rebellion eigentlich erreichen wollen, de Thou ihm vorwirft, sein Land achtlos preiszugeben. Und immer häufiger steht nun Père Joseph (Mark Schnaible), Berater und Beichtvater Richelieus, wie ein finsteres Menetekel in der Szene, oft mit blutroten Handschuhen. Er ist es auch, der Marie in ihrem Sehnsuchtswald bedrängt und bedroht – in einem wunderbaren Duell-Duett, bis sie von einer Jagdgesellschaft umkreist und gefangen wird. Da ist die Inszenierung dann wieder auf dramatischer Höhe, auch wenn die brisante Frage, ob und wenn ja wann man einen Tyrannen stürzen darf oder soll, ungestellt bleibt. Düster wie der Anfang dann das Ende: Cinq-Mars und de Thou im Kerker, wie sie sich voneinander, der Welt und ihren Träumen verabschieden, ein flehendes Gebet, dann das Geräusch des Fallbeils. Marie sieht zu – und steht am Ende wieder allein, in der Hand achtlos die Königinnenkrone, die ihr soviel Unglück gebracht hat. – Jubel im Leipziger Opernhaus, aber ob das Werk das schmale französische Repertoire hierzulande erweitern wird, muss sich weisen.