Chancen hat sie keine: Dieses aufgeweckte Mädchen in pinkfarbenen Leggings könnte sich nach der Schule als Köchin verdingen. Mehr ist nicht drin im Haushalt einer alleinerziehenden Mutter, die sich immer auf das Geld des Bruders verlassen hat. Der ist nun tot. Ausgerechnet er, der als Kapitän große Maschinen nach Sidney flog, ist in der Ukraine schäbig von einem Auto überfahren worden. Damit ist Lidas Traum geplatzt, Stewardess zu werden mit wehendem Haar und schickem Schal à la Isadora Duncan.
Es sollte ein Stück werden, das Mut macht, das sozialistische Erbe abzuschütteln. Das Drama „Zal’ot“ („Fliegen“) der ukrainischen Autorin Luda Tymoshenko sollte im Februar in Kiew uraufgeführt werden am Malyi Teatr. Es taucht ein in die 1990er-Jahre und zeigt ein Land im Umbruch, in dem man Piroggen und Buchweizen isst, „Dallas“ schaut und Pink Floyd hört. Es ist ein Stück voller Symbolkraft, in dem jedes Detail eine Botschaft birgt. Diese Lida träumt vom Fliegen, sie will sozusagen hoch hinaus, raus aus der Tristesse der post-sowjetischen Ukraine, wo das Licht ständig ausfällt und das Wasser knapp ist. Die Mutter dagegen ist in ewigem Lamento versunken, eine alte Krone fault in ihrem Mund.