Foto: "Die Erschaffung der Welt", neu am Volkstheater Rostock. © Volkstheater Rostock
Text:Jens Fischer, am 22. Oktober 2012
Schwierige Theaterzeiten wie jetzt in Rostock und insbesondere für das immer wieder bedrohte Tanztheater – sind immer auch solche für gekonnt gepflegte Idylle. Der tschechische Ballettdirektor und Chefchoreograf Bronizlav Roznos erinnert sich daher an ein 1998 am Theater Zwickau realisiertes Projekt und inszeniert ein Spiel mit den Magie-Tricks des neonfarben glühenden Schwarzlichttheaters seiner Heimat: „Die Erschaffung der Welt“. Die ironisierenden Kostüme und der heitere Duktus einer verweltlichten Genesis, ein Herrgott als gutmütig Vollbartopa, der seine Schöpfungsideen mit schrullig-tapsiger Geschäftigkeit und naseweiser Tollpatschigkeit ausprobiert, assistiert von lausbübisch kecken Engeln – all diese Anregungen holte Roznos sich aus den parodistischen Illustrationen des auch in der DDR sehr beliebten französischen Autors/Zeichners Jean Effel. Der kommunistische Katholik hatte den ersten künstlerischen Prozess, den Anfang aller Geschichten recht eigenwillig interpretiert.
Auf Wolke 7 erwachen Gott und zwei Engel-Teenies: recken und strecken, Morgengymnastik. Die erste Schöpfungsarbeit ist schon erledigt: Planeten und Sterne fliegen vorüber. Und aus einer Bodenluke krabbelt der rothäutig-stachelige Widerpart: Herr Teufel. Er schenkt Gott ein Mondsichelkissen zur Auffüllung des Universums. Das ist so eine sabotierende Bösartigkeit: Symbolisiert der Mond doch immer Weibliches, was nun also als Teuflisches kenntlich wird. Und so geht’s weiter. Das himmlische Trio schaufelt Steine und Mörtelbrocken in einen Mixer, Luzifer schmeckt mit ein Paar Dynamitstangen ab. Die Maschine vermengt die explosive Mischung und gebiert: die Erde. Dazu erblüht (vom Tonträger) der 1. Satz von Tschaikowskys 1. Klavierkonzert. Gott hängt die Erde sogleich an den Himmel, kurbelt die Sonne an wie einen Oldtimer, Automotorstartgeräusche werden eingeblendet, das Sonnenssystem beginnt sich zu drehen. Und weiter in der Genesis-Maloche: Gott bewirft mit einer Art Vanilleeiskugel einen Berggipfel, auf dem sich daraufhin eine Schneekuppe bildet, Winterwind beginnt zu pfeifen, Eiszapfen senken sich vom Bühnenhimmel herab. In seiner Provokationslust verunreinigt Satan mit dem Salzstreuer das gerade von Barmixer Gott kreierte Wasser – und schleudert Blitze in den romantisch wallenden Regentropfenvorhang. Bis endlich Adam und Eva einander erkennen, reiht sich Episode an Episode. Zusammengehalten werden sie durch die Kaspertheaterästhetik des Schwarzen Theaters. Gestisch alles recht typologisch grob und zappelig, tänzerisch doch sehr bescheiden: eher der Showbranche abgeschaut denn bewegungskünstlerischer Ausdruck von Gefühlen. Eine ernsthafte Bibel-Exegese wird nicht behauptet, nur das Offensichtliche dezent satirisch bebildert.
Also weniger Tanzkomödie, mehr Bildertheater für staunende Kinderaugen ab 6 Jahren – changierend zwischen zauberhaft schön, extrem niedlich und amüsant putzig. Die Ingredienzien eines Publikumshit sind also vorhanden. Und wenn das UV-Licht strahlt, verschwinden die Volkstheaterprobleme und die Charmefreiheit des alten Großen Hauses im schwarzen Nichts fideler Unterhaltung.