Am Anfang ist einer alleine da (Nicolas Streit) und erzählt sein Elend, sein Gelebtwerden duch den Job, der ihm, auch durch das viele Reisen, den Schlaf raubt. Sein Arzt erkennt kein Krankheitsbild, rät zu einer Hodenkrebs-Selbsthilfegruppe. Und mit anderen reden zu können, hilft dem namenlosen Helden genauso, wie zu sehen, dass es anderen viel schlechter geht. Bis die Simulantin Marla (Hanna Binder) zu den Therapiegruppen stößt, aus ganz ähnlichen Gründen.
Die Versuchsanordnung ist bekannt. „Fight Club“ von Chuck Pahlaniuk ist ein 1996 erschienener Erfolgsroman, der drei Jahre später von David Fincher mit Edward Norton, Brad Pitt und Helena Bonham-Carter verfilmt wurde, ohne viel Erfolg an den Kinokassen, aber mit Kultfilmstatus durch die DVD-Veröffentlichung. Der Namenlose lernt Tyler Durden (Thomas Frank) kennen, man zieht zusammen, quält sich, gründet den Fight Club, wo sich männerbündisch geprügelt wird, und konkurriert um die Frau. Die Pointe: Beide Männer sind eins. Wir haben die Geschichte einer Persönlichkeitsspaltung erlebt, die das Leben unseres Helden endgültig zugrunde richtet.
Die Wiener Aufführung erzählt das klug, die Textfassung von Matthias Köhler und der Dramaturgin Anna Laner orientiert sich am Roman, ignoriert den Film nicht und wird so zur prächtigen Vorlage für 80 Minuten genau brennendes Theater auf schauspielerischem Stratosphären-Niveau. Dem dreiköpfigen Ensemble glauben wir alles, jede Haltung, jede Lüge, jede Pose, jede Note (es wird wenig, aber hin- und mitreißend gesungen).
Und die toxische Männlichkeit? Schwimmt so mit. Der Ausgangspunkt des Elends sind Stress und Einsamkeit, was nur bedingt geschlechterspezifisch ist. Der Trieb-Abfluss in ein Gewaltbiotop ist es natürlich schon, genauso wie die Idee, dass man sich als Individuum nur spüren kann, wenn man Schmerzen empfindet und Schmerz zufügt. Bei Matthias Köhlers Umgang mit dem Stoff geht es dennoch eher um Mensch als um Mann, um entfremdetes Leben, psychische Einengung, die sich Bahn bricht. Die Ursachen hierfür liegen nicht in erster Linie in überkommenen Rollenmodellen, sondern eher in gesellschaftlichen Veränderungsprozessen begründet. Das ist eine haltungsstarke, und sicher eigenwillige Lesart des Romans, die aber blendend ins Pandemie-Jahr 2021 passt.
Und, noch einmal sei es gesagt, in der Umsetzung, in der Verschränkung von theatralischen und filmischen Mitteln, von Konzentration und Bewegung, von Rhythmus und Ausdruck, wenige vergleiche zu scheuen hat. Wenn wieder Publikum zugelassen ist, in Wien, möchte ich definitiv mal im 7. Bezirk Theater schauen. Und sei es auf Urlaub.
Noch bis 20. Februar hier zu streamen.