Foto: "Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe" am Gorki in Berlin. © Bettina Stöß
Text:Barbara Behrendt, am 7. November 2011
„Nur die Absicht, es für die Bühne passend zu machen“, so kommentierte Kleist sein „Großes historisches Ritterschauspiel“ nachträglich, „hat mich zu Missgriffen geführt, die ich jetzt beweinen möchte.“ Ausgerechnet diese Konzessionen an den Zeitgeschmack, für die sich der Dramatiker seinerzeit entschuldigte, rücken bei Jan Bosse in der Eröffnungspremiere des Kleist-Festivals am Maxim Gorki Theater in den Vordergrund. Klirrende Schwerter, Ritter zu (Schaumstoff-) Pferde, Feuersbrunst und Badegrotten-Show – der ganze Popanz nimmt auf der Bühne so viel Platz ein, dass man, zumindest bis zur Pause nach knapp zwei Stunden, vom Drama um Käthchens unerhörte Liebe kaum etwas mitbekommt.
Das Ritterspektakel ist reine Karikatur. Joachim Meyerhoff legt den Grafen Wetter vom Strahl von Anfang an auf einen tumben, groben, selbstverliebten Macho fest, der rücksichtslos an die Rampe spielt. Kein Zorn, keine Fassungslosigkeit, sondern Klamauk – nicht mehr als eine virtuose Lachnummer. Der Skandal um Käthchen, den der Vater dem Femegericht (hier: dem Publikum) schildert, geht bei Ruth Reinecke vollkommen unter. Da wird einer der spannendsten Drameneinstiege der Weltliteratur glatt verschenkt. In die gleiche Kerbe haut „Das Helmi“ mit seinem Ritter- und Kaisergeplänkel: So herzrührend grotesk die Schaumstofffiguren der Berliner Puppenspielkombo sind, so wenig tragen sie hier zur Erkenntnis bei. Ihre Trash-Ästhetik wird ausgewalzt, passt nicht ins Spiel. Nur einmal glückt ein schöner Moment: als der riesige Schaumstoff-Cherub das Käthchen auf seinen Armen aus der Asche der eingestürzten Burg heraus trägt.
Kleists Käthchen ist eine Radikale, die sich, vollkommen einsam, unbeirrt auf ihre Liebe beruft. Ist das neurotisch oder großartig? Ihr Gefühl dämonisch oder göttlich? Käthchens naive Getriebenheit, die uns Pragmatikern heute so pathologisch vorkommen kann, zeigt Anne Müller in einer Mischung aus Unschuld und Verkrampfung. Der Furor mit dem sie ihr Käthchen spielt, ohne je nur devot den Geliebten anzuhimmeln – das macht sie inmitten dieser Hampel-Ritter zur Figur mit den menschlichsten Zügen.
Erst nach der Pause, wenn der Graf das Käthchen mit der Peitsche vor sich her treibt, zeigt uns auch Meyerhoff endlich einen Menschen: Voll versteckter erotischer Begierde wütet er nicht nur gegen das Mädchen, sondern ebenso gegen sich und seine uneingestandene Liebe. Das ist eine Szene, die die emotionalen Tiefen des Dramas erahnen lässt – zu seltene Augenblicke an diesem dreieinhalbstündigen Abend.