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Antiheld

Bedrich Smetana: Dalibor

Theater:Staatstheater Augsburg, Premiere:14.10.2018Autor(in) der Vorlage:Ervín Špindler, Josef WenzigRegie:Roland SchwabMusikalische Leitung:Domonkos Héja

Am Staatstheater Augsburg ist eine musikalisch und szenisch mitreißende Interpretation von Smetanas Oper „Dalibor“ zu erleben.

Bedrich Smetanas „Dalibor“ mag seine dramaturgischen und textlichen Schwächen haben. Aber wie grandios vielschichtig, mit welcher lyrischen Emphase, Melodienseligkeit und harmonischen, ja sogar leitmotivischen Raffinesse das Orchester in dieser Partitur von 1867 seine Protagonisten unterstützt – das ist meisterlich! Es verleiht der vermeintlichen Freiheits-Oper eine ungeheure Dringlichkeit, obwohl ja von Machtwillkür und mutiger Zivilcourage bis hin zur Selbstjustiz erzählt wird, von unstillbarer Sehnsucht und einer schließlich nicht von Erfolg gekrönten Befreiungsaktion.

Kein Wunder, dass der Komponist das Werk weit über seine ungleich populärere „Verkaufte Braut“ stellte. Und die Augsburger Philharmoniker gehören zu Recht seit kurzem einem Staatstheater an. Denn was sie an diesem Abend in der Ausweichspielstätte am Martinipark (wo es keinen Orchestergraben gibt und sie also ganz ungeschützt und sehr direkt klingen) unter ihrem Generalmusikdirektor Domonkos Héja leisten, klingt so traumhaft geschmeidig, intensiv und warm, fein gestaffelt und präzise artikuliert, dass man beseligt in die Pause geht.

Danach ist das Glück vollkommen. Denn Milada – anfangs mit Sonnenbrille, Gesichtsschleier und schwarzem Trauergewand (Kostüme: Renée Listerdal) die flammende Anklägerin Dalibors, der ihren Bruder tötete, einen diktatorisch verbrecherischen Herrscher – diese Milada also hat sich nun in den Täter verliebt und will ihn retten. Sally du Randt, die im ersten Akt vor allem in der Tiefe einige Probleme hatte, kann nun mit leuchtenden dramatischen Spitzentönen aufwarten und im langen, fast modern in sich kreisenden Liebesduett mit Dalibor, den Scott MacAllister mit biegsamer, schöner, fein vibrierender Heldentenor-Stimme singt, auch zu innigsten Tönen finden.

Roland Schwabs Idee, in einem faszinierend kalt-metallischen Einheitsraum (Alfred Peter) mit Dalibor von Anfang an einen Gezeichneten, einen gefolterten und hinkenden, blutverschmierten Antihelden zu zeigen, der seinem Geige spielenden besten Freund Zdenko wie einem Geliebten nachtrauert, geht nun auf. Im Gefängnis trägt der angekettete Dalibor im gleißenden Licht ein Schild mit der Aufschrift „Ecce Homo“, was durchaus doppeldeutig zu verstehen ist. Auch die Musik spricht immer wieder von dieser Liebe, die Schwab andeutet, wenn plötzlich ein tot am Boden liegender schöner, junger Mann mit langen Haaren und Bart zum Geigensolo im Orchester sein Instrument in die Höhe reckt. Dieser Zdenko ist es auch, der am Ende halbnackt aufsteht und in Zeitlupe barfuß auf das Publikum zugeht und anstelle von Dalibor erschossen zusammenbricht, während sich dieser in einem Weinkrampf schüttelt.

Andererseits zeigt Schwab mit dem Kerkermeister Beneš, den Stanislav Sergeev fulminant verquält singt und spielt, einen Getriebenen, der zwischen Überwachungsvideos und Verhaltensregeln des Kanzlers (Wiard Witholt) via TV-Schirm Aufnahmen von Kindern auf dem Spielplatz beobachtet und dabei der als Junge verkleideten Milada körperlich gefährlich nahekommt. Alejandro Marco-Burmester als König Vladislav, Jihyun Cecilia Lee (Jitka) und Roman Poboiynyi als ihr Verlobter Vitek ergänzen das exzellente Augsburger Ensemble.

Wie immer in Roland Schwabs Inszenierungen spielt subtiles Licht eine große Rolle, hier von Marco Vitale wie ein zusätzlicher Darsteller eingesetzt. Immer wieder entwickeln die „Verfolger“ genannten Scheinwerfer ein Eigenleben und bilden etwa auf der Bühne und im Zuschauerraum die Utopie eines Sternenhimmels, wenn der mehrfach von Schüssen niedergestreckte Chor (ebenfalls exzellent: der Chor und die Extrachor-Herren des Staatstheaters Augsburg samt Statisten) sich einmal mehr als Symbol für Befreiung erhebt und mit seligem Ausdruck in den Gesichtern die Arme zum Himmel reckt.