Foto: Matthias Reichwald (König Arthur) und das Ensemble in Tilmann Köhlers Inszenierung am Staatsschauspiel Dresden. © David Baltzer
Text:Ute Grundmann, am 13. September 2013
Ein großes Schwert steckt in der Mitte der Bühne: Hier herrscht Krieg. Vermummte Menschen robben einen langen, schrägen Steg entlang als ginge es gegen einen Feind, doch diesem johlenden Kriegsvolk perlt filigrane Musik entgegen. Aus diesem Gegensatz aus Schrecken und Schönheit, Liebe und Krieg zieht eine Inszenierung eine Menge Faszination, die als besondere Kooperation im Staatsschauspiel Dresden Premiere feierte. Denn zum 100. Geburtstag des Schauspielhauses am Zwinger taten sich Semperoper und Staatsschauspiel zusammen, um Henry Purcells „King Arthur“ auf die Bühne zu bringen. Und Regisseur Tilmann Köhler entwirft mit dieser Semiopera, der barocken Mischung aus Musik und Schauspiel, zunächst ein großes Gemälde von vielen Schlachten und wenigen Momenten der Harmonie und Liebe.
Denn die Krieger, denen die zauberhafte Musik entgegenklingt, werden getroffen, fallen, stehen wieder auf, stürmen, fallen. Wenn König Arthur (Matthias Reichwald) und seine Mannen pantomimisch reiten, die Hand am unsichtbaren Sattelknauf, wird das zum martialischen Kriegsgetrampel. Und kaum ist das sanft-verliebte Gespräch zwischen blinder Emmeline (Yohanna Schwertfeger) und Arthur zu Ende, werden die Kämpfer zu prächtig-heller Bläsermusik wieder in die Schlacht geschickt. Da prallen immer wieder Welten aufeinander: Wenn die Musik die Schlacht feiert, zeigt die Szene deren Schrecken und Tote.
Auch sonst funktioniert das Miteinander von Musik und Spiel ziemlich lange ziemlich gut. Da beginnt die (englisch gesungene, deutsch übertitelte) Warnung vor dem falschen Weg bei Sopran und (sehr gutem) Chor, wird von den Schauspielern weitergeführt und wieder an den Chor zurückgereicht. Peter Lobert singt und spielt einen wunderbar tiefschwarzen Erdgeist Grimbald, Sonja Beißwenger ist der koboldige Luftgeist Philidel, der aber auch anrührend um Erbarmen flehen kann. Und Albrecht Goettes Merlin, der mit hallender Stimme, grauem Gewand und silbrigem Bart aus dem Schnürboden einschwebt, ist ein scheu-brummeliger Magier ohne große Zaubergesten. Da macht Tilmann Köhler großes Ausstattungstheater (Bühne: Karoly Risz, Kostüme: Susanne Uhl) mit kritischem Blick aufs Sujet, so wie Armin Petras Prolog und Epilog frech angeschliffen hat. Und das Prager Barockorchester unter Felice Venanzoni läßt Purcells Musik glänzen und funkeln, als gelte es immer noch einem König zu huldigen.
Doch im zweiten, kürzeren Teil der gut dreistündigen Inszenierung franst der Abend, der klar und bestechend begann, aus, verliert sich in Einzelheiten in einem Zauberwald, der aus lauter goldenen Tüchern besteht. Mit denen wird viel gefummelt, geknotet und gekämpft. Die Tücher sind auch das Wasser, mit dem singende Nixen und Erdgeister Arthur fast in ihrer Welt fesseln können – eine schöne Märchenszene. Doch in dieser Sommernachtsträumenden Handlung erscheinen die Akteure plötzlich in heutiger Abendkleidung, Merlin greift zum Mikro, der Steg bricht auseinander, Simeon Esper stimmt ein schönes Spottlied im „Und jetzt alle“-Gestus an. Das Liebespaar aber steht etwas bedröppelt an der Rampe, als ob es das Ende der Musik gar nicht abwarten könnte. Doch es folgt immer noch ein Lobgesang auf die Liebe – womit die Regie dann nicht mehr wirklich etwas anzufangen weiß.