Foto: Szene vor der Kulisse des historischen Münsters in Konstanz © Ilja Mess
Text:Manfred Jahnke, am 1. Juli 2014
Konstanz feiert das Konzil, das von 1414 – 1418 in der Stadt tagte, um nach der Regentschaft dreier Päpste die Einheit der Kirche wieder her zu stellen. Nebenbei brachte man den Reformator Jan Hus aus Böhmen auf den Scheiterhaufen, obschon ihm König Sigismund freies Geleit zugesichert hatte. Ein komplexer Stoff also, den das Theater Konstanz an das Autorenpaar Theresa Walser und Karl-Heinz Ott als Auftragsarbeit vergab. Wenn sie sich dabei an die von der Historie vorgegebenen Fakten halten, erzählen sie diese doch aus der besonderen Perspektive des „Unten“: Hintz und Kuntz, von Ralf Beckord und Andreas Haase als slapstickhaftes Komikerpaar mit Wortwitz gespielt, sind Konstanzer Bürger, die auf den König warten, der über den nebligen Bodensee kommen soll. Und Handlungsort ist eine Kneipe, in der Gabi Geist als Wirtin Martha Haefelin mehr freundlich als resolut regiert. Hier trifft sich Konstanz und auch die Großen entweder inkognito und dann sehr derb und direkt, oder ganz offiziell.
Vor der Kulisse des historischen Münsters hat Beate Faßnacht rechts und links Gerüste aus Tischen geschaffen, darauf und darum blaue Benzintonnen, ein flaches Brettergerüst am Boden, zu den Wirtshausszenen werden weitere Tische hereingetragen, und je mehr Nachtdunkel über das Spiel hereinbricht, um so stärker leuchten die mittelalterlichen Glasfenster des Münsters, das auch nach der Pause mit einbezogen wird, als man den Raum durch das Münster betreten muss. Natürlich auch setzt die Regie von Johannes von Matuschka auf Massenchoreografie, so dass sich immer wieder schöne Bilder ergeben, mit Feuer, mit Musik. Aber, wie es so ist, wenn in einem Spiel viele Tischszenen vorkommen, wird das Spiel schnell statuarisch, bleibt am Tisch haften, verliert an Rhythmus. Hinzu kommt, dass der Text von Walser/Ott mit ganz feinen Wortspielen, manchmal auch sehr anachronistischen („Jetzt spreche ich wie Schiller.“) arbeitet, klug ziseliert ist, die Regie andererseits die Figuren grob schnitzt. Da spielt Axel Julius Fündeling als König Sigismund einen blonden Schönling, der stets auf der Suche nach Geld und Frauen ist. Sarah Sanders führt eine geile Königin Cilli mit stechenden Augen vor, Zeljko Marovic zeigt einen überlegenen Papst, der der Welt nicht abhold ist. Während so die Herrschaft zur Karikatur wird, wird beim Wirtshauspersonal auf kräftiges Volkstheater gesetzt, besonders Jana Alexia Rödiger als die eher schüchterne Wirtstochter und Julia Alice Ludwig können da überzeugen.
Walser/Ott haben in der Aufarbeitung ihres Stoffes nicht nur auf den Kunstgriff des „von unten“ angewandt, sondern arbeiten in ihrer Dramaturgie auch mit dem Mittel des „Spiels im Spiel“, insbesondere, um die Hus-Geschichte in ihr Stück integrieren zu können. Hintz und Kuntz haben zur Begrüßung des Königs ein Stück über den Heiligen Genesius vorbereitet, ein Narr des Kaiser Diokletians, der sich während einer Vorstellung zum christlichen Glauben bekehrte und hingerichtet wurde und dessen Gebeine nicht weit von Konstanz aufbewahrt werden. Aber auch in anderen Handlungssträngen findet man diese Doppelung, die den Spielcharakter des Stücks betont: keine Rekonstruktion des Faktischen, sondern spielerische Aneignung mit ein bisschen Lokalpatriotismus. Das hat durchaus einen poetischen Charakter.