Foto: Szene aus "Maria Stuart" in Bad Hersfeld © Festspiele Bad Hersfeld
Text:Michael Laages, am 16. Juni 2014
Natürlich sahen Englands Schlösser anders aus, und niemals war wohl für die schottische Königin Maria Stuart in zwei Jahrzehnten Haft auf Fotheringhay eine derart geräumige Zelle reserviert wie im riesigen Bühnenportal der Stiftsruine von Bad Hersfeld. Macht nichts – die Ruine spielt die Rolle exzellent und stiftet reichlich Assoziation zu längst vergangenen Zeiten. Und den letzten großen Auftritt von Marias Kontrahentin Elisabeth, nach der Hinrichtung der stolzen Schottin, vergrößert die Bühnentiefe der Ruine fast ins Monströse – Festspiel-Chef Holk Freytag tut immer wieder gut daran, speziell für diesen Raum die Begegnung über Jahrhunderte hinweg zu suchen.
„Der Name der Rose“ war ein haltbarer Erfolg und geht nun ins neue Festspiel-Jahr, „Die Wanderhure“ nach Iny Lorentz setzt als Novität im aktuellen Spielplan auf ähnliche Distanzen. Und mit Schillers Königinnen-Drama „Maria Stuart“ gelingt zur Eröffnung sogar das Kunststück, dieses gedanklich massiv aufgeladene Stück für die riesige Bühne zu einer Art modernem Kammerspiel zu verdichten. Wie so oft markieren diese Moderne die Kostüme. Michaela Barth steckt die gefangene Maria in Jeans, für das dramatische Gespräch mit der regierenden Konkurrentin Elisabeth muss sie sich überstürzt in repräsentatives Schwarz werfen; erst vor dem Schafott wird sie königlich gekleidet. Elisabeth ist im schwarzen Hosenanzug ganz Regierungschefin, erst im letzten Bild, scheinbar befreit vom Alptraum Maria, legt sie prunkvolles Rot und helle Perücke an; der Hof trägt derweil das Outfit einer Chefetage auf Landpartie. Einzig der junge Mortimer, Marias Vertrauter, bleibt auch optisch fremd: im schwarzen Umhang des Verschwörers.
Weil die Möglichkeiten der Festivalbühne ansonsten so eng beschränkt sind, jenseits von Gitterwand und Freitreppe, ist Optik hier so wichtig – sie vor allem stiftet Konzentration auf den effektiv gekürzten Text. Lange nicht kam dieser komplizierte Schiller-Text so schnörkellos und direkt daher; und die Mikroport-Verstärkung, sonst eher eine der modernen Geisseln im Theaterbetrieb, wirkt hier eher hilfreich. Klar fokussieren Gerit Kling und Marie-Therese Futterknecht als Elisabeth und Maria die Profile – als Frauen der Macht und dabei beide eher zeitgenössisch und modern, beide aber auch getrieben: von verletztem Stolz in tödlicher Bedrohung die eine, von unterdrückten Ängsten die andere. Glück ist keiner beschieden.
Schillers Gedankendrama über politische Strategien und menschliche Schwächen, irrende Liebe und die Abgründe der Macht bleibt noch in den eher anstrengenden religiösen Unterfütterungen gegen Ende potent und präsent – und es lohnt unbedingt, gerade im sommerlichen Festspielbetrieb auf Herausforderungen dieses Kalibers zu setzen. Holk Freytag wird in Bad Hersfeld immer härter darum kämpfen müssen – denn die Streichung von 400.000 Euro im Etat der Festspiele, geplant schon für diese Saison und gerade noch abgewehrt, nun angedroht für’s nächste Jahr, würde ganze Produktionen eliminieren. Und welche wären das wohl – beim Einnahme-Soll von 70 Prozent? Der furiose Beifall aber für einen harten Brocken wie diesen lässt auch in Hersfeld hoffen.