Foto: Das Esslinger Ensemble mitten im Showgeschehen © Patrick Pfeiffer
Text:Manfred Jahnke, am 1. Dezember 2019
Die Wirklichkeit lässt sich nur noch durch die Komödie abbilden, hat Friedrich Dürrenmatt in seinem Essay „Theaterprobleme“ festgestellt. Es gelte, die schlimmstmögliche Wendung zu finden. Die sucht Dürrenmatt auch in der „Komödie einer Privatbank“, in der Frank in der fünften Generation eine Privatbank leitet, aber leider nicht so konsequent mordet und betrügt wie die Vorväter. Er, der die Geschäftspraktiken seiner Vorgänger widerwillig fortsetzt, ist im Grunde ein Versager. Nicht zufällig erpressen ihn seine eigenen Kinder Herbert und Franziska, die dann die Bank übernehmen, zumal Ottilie, die Gattin von Frank den Fünften, bei ihrem Versuch, alle Morde zu beichten, vom Staatspräsidenten mit der Entschuldung belohnt wird.
Wenn sich Dürrenmatt auch vehement dagegen gewehrt hat, „Frank der Fünfte“ als eine Fortschreibung der Brechtschen „Dreigroschenoper“ zu begreifen, so lässt sie sich durchaus als eine solche sehen: Korruption, Misstrauen, die Verstrickung von Privatgeschäften und Staat sind der gemeinsame Stoff, der Ende der 1950er Jahre noch eine provokative Kraft entfalten konnte. Und zwar so stark, dass er sich für seine „Komödie einer Privatbank“ die Musik des Komponisten Paul Burkhard wünschte: Dessen operettenseligen Melodien mildern die böse Satire auf einen Finanzkapitalismus, für dessen Erhalt kriminelle Strukturen sorgen.
Was Ende der 50er Jahre noch provokant war, erscheint heute aus der Perspektive eines globalisierten Turbokapitalismus nicht mehr als denkbar schlimmste Wendung, sondern als normale Wirklichkeit, die so, wie sie ist, von den meisten Menschen einfach hingenommen wird. Das wäre vielleicht ein Ansatz, um „Frank der Fünfte“ heute zu spielen. Regisseur Markus Bartl wählt aber in seiner Inszenierung an der WLB Esslingen einen ganz anderen Einstieg: Er streicht weitgehend die Geschichten der wenigen Angestellten, sodass ihre Sehnsüchte, ihr Misstrauen, ihre Missgunst im Vagen bleiben. Statt zu zeigen, was die Identifikation mit den gängigen Praktiken der Bank mit den Angestellten macht, wird hier alles zur Show. Ein roter Vorhang, der gegen Ende fällt, begrenzt die Bühne. Davor spielt eine vierköpfige Kombo (musikalische Leitung: Oliver Krämer). Ein Podest, das funktional einsetzbar ist – einmal als Grab, ein anderes Mal als Konferenztisch, dann wieder als einfache Spielfläche –, beherrscht die Mitte der Bühne. Links und rechts am Portal stehen jeweils ein Bistrotisch und zwei Stühle, deuten das Café an, in dem sich das Bankpersonal am Feierabend trifft (Bühnenbild: Philipp Kiefer).
Aber wo alles zur Show wird und die Musik dominiert, da verschwinden die Geschichten von Menschen, die sich in der Kluft zwischen den eigenen Sehnsüchten und der Verstrickung in die Betrugs- und Mordgeschichten einrichten oder ihr zu entrinnen versuchen. So werden die Figuren zu Abziehfiguren. Das betrifft vor allen Dingen die Kinder: Nathalie Imboden als Franziska und Felix Jeiter als Herbert agieren im schrillen Outfit, aber auch Antonio Lallo als Staatspräsident muss einen kumpelhaften Fürsten aus dem 19. Jahrhundert spielen. Karikaturhaft auch die Darstellungen von Ralph Hönicke, Achim Hall und Elif Veyisoglu, die wie die vorher genannten mehrere Rollen zu spielen haben. Im Zentrum der Macht agieren mit Gesine Hannemann als Ottilie, die Ehefrau des Bankiers, und Reinhold Ohngemach als Frank der Fünfte zwei wunderbare Komödianten, die sich aber in diesem musikalischen Comic nicht durchsetzen können.
Es gibt Stücke, die haben ein Verfallsdatum. „Frank der Fünfte“ scheint dazuzugehören. Jedenfalls, wenn der brisante Inhalt in eine Show transformiert wird. Eigentlich schade!