Zugleich ist das aber auch eine Art von handgemachtem, ziemlich versüßtem Theaterkonfekt. Wofür das plüschig verrüschte, immer irgendwie vollgestopft wirkende einstige Brecht-Theater am Schiffbauerdamm eine durchaus passende Luxus-Schachtel abgibt. Nicht nur, weil ihr Noch-Hausherr immer mal feixend zu solchen Naschereien einlädt und die als Biokost verkauft, sondern weil auch der Hausgeist des armen BB dadurch seine Berechtigung zum Spuken behält….
Es gibt also einen Freyer-Raum, in dem keine vierte Wand existiert. Eine Proszeniumsloge ist reserviert für einen Clown, der Faxen macht, sich selbst oder wen auch immer dirigiert oder mit einem Stuhl herumfuchtelt. Auf der anderen Seite stützt ein starker Pappmasché-Arm eine Loge. Der Zuschauerraum und die Bühne als Geisterbahn: Mit einer Wand für leuchtende Worte, die zum Nachdenken anstiften sollen. Oder zum Kopfschütteln führen. Hölle, Macht, Geld, Gier. Die wichtigen Weltworte halt. Manchmal gespiegelt, manchmal ergänzt. Bizarre Figuren ziehen auf der Bühne vorbei. Sagen Sätze, in denen man natürlich nicht Herrn Hinz oder Frau Kunz erkennt, sondern Leute von der tragischen Größe einer Medea, Penthesilea oder eines Ödipus. Personal fürs Kaffeekränzchen ist das nicht. Die Textfetzen stammen von Aischylos und Euripides, von Goethe, Kafka oder Handke, von Kleist und Lasker-Schüler, Heiner Müller und Gertrude Stein, Wagner oder Wittgenstein usw. Wenn schon, denn schon. Der dräuende Musiksound, der das Wortragout bindet, von Lucia Ronchetti. Sechzehn Namen listet der Besatzungszettel, die Akteure tragen Namen wie die Sehnsüchtige, die Wehklagende, der Hoffnungsvolle oder auch der Schutzengel, vor allem aber Kostüme, Masken, Kunstbrüste oder -pimmel aus dem Freyer-Universum. Bei einem Drehbühnenreigen zwischen Licht und Dunkelheit, mit erkennbaren Wortfetzen, ja Miniszenen oder im Ätherrauschen eines methaphorischen Nebels. Wo dann auch mal die Flammen der Hölle züngeln.
Wenn man diese verwirrend faszinierenden, zugleich anstrengend überdehnten, oft nur selbstreflexiven und machmal auch assoziationsoffenen 80 Minuten überstanden hat, das gesamte Personal wie Zombies aus der Theaterhölle an die Rampe tritt und das Licht fahl wird, scheinen sie stumm zu rufen: kommt zu uns. Ihr seid auch schon alle tot. Ihr wisst es nur noch nicht…
Dagegen haben dann doch einige Zuschauer ein lebendiges Buh gesetzt. Die meisten aber respektvollen Beifall für eine Kunstanstrengung, die ihren Sinn nicht ohne Widerstand offenbart.