Foto: Szene mit Andrea Clausen (Maureen) und Nicholas Ofczarek (Johnson) © Bernd Uhlig
Text:Sara Schausberger, am 29. Januar 2016
„Ich habe heute Nacht vielleicht einen Mann umgebracht“, sagt Johnson (Nicholas Ofczarek) um drei Uhr morgens in seinem Wohnzimmer zu seiner Frau (Andrea Claußen). Er hat zu viel getrunken, er lallt, er weint, er lacht und macht sich immer wieder einen neuen Drink, der Alkohol scheint das Einzige zu sein, was hilft. „Ich habe ihn erschlagen“, berichtet Johnson seiner Frau und schafft es trotzdem nicht, zu erzählen, was wirklich passiert ist. Nur langsam nähert man sich den Ereignissen der Nacht an und irgendwann wird das Telefon läuten und Johnson wird die Gewissheit haben, dass der Mann, der vermeintliche Kinderschänder, den er im Verhör erschlagen hat, tatsächlich tot ist.
In drei Akten erzählt John Hopkins in „Diese Geschichte von Ihnen“ vom Polizeibeamten Johnson, der es in zwanzig Jahren nie weiter als bis zum Sergeant gebracht hat. Andrea Breths Inszenierung ist hochkonzentriert und dicht, fast wie Kammerspiele muten die drei Bilder an, die diese Geschichte aufrollen. Im ersten Akt erleben wir Johnson mitten in der Nacht mit seiner Frau, im zweiten Akt wird er von Chefinspektor Cartwright (Roland Koch) zu den Ereignissen der vergangenen Nacht befragt und im dritten Akt ist in einer Rückblende das Verhör zu sehen, um das sich alles dreht.
Ofcazerek ist gut als Johnson. Er spielt dessen unsteten Charakter, mit dem man kaum sympathisieren kann, grob und ungehalten. Aus jeder noch so kleinen Bewegung und Geste spricht seine Gewaltbereitschaft und trotzdem spürt man, dass dem noch was anderes zu Grunde liegt. Johnson scheitert letztendlich nicht nur an der Grausamkeit seiner Fälle, sondern auch an seiner Unfähigkeit sich zu artikulieren. Hopkins schrieb das Stück im Jahr 1968. Eine Zeit, in der von psychologischer Hilfe für die Kriminalbeamten noch keine Rede war. Breth versucht nicht die Geschichte zu modernisieren, das Interieur und die Kostüme (Moidele Bickel) erinnern an die sechziger Jahre: die Männer tragen Anzüge in verstaubten Farben, die Frau taucht im blauen, knöchellangen Morgenrock auf.
Auch das Bühnenbild von Martin Zehetgruber lässt die Rohheit und Verlorenheit des Polizisten, der unter großem Druck steht, immer augenscheinlicher werden. Das Wohnzimmer vom Anfang, ist wie ein Vorbote auf das, was wir zum Schluss erfahren werden. Der Einbauschrank ist vollgestellt mit den Porzellanfiguren hunderter Mädchen, eine dieser „niedlichen Scheiß-Porzellan-Tussis“ wird Johnson im Rausch zerschlagen.
Am Ende sind die Wände nur noch roh und unverputzt. Die Bühne ist kahl, da wo verhört wird, stehen lediglich ein Tisch und zwei Stühle. Im blauen Anzug sitzt Baxter (August Diehl) da, die protzige Armbanduhr am Handgelenk. Diehl spielt ihn als deutlich Nervösen: Er streicht sich die Haare nach hinten, zittert und schwitzt. In diesem letzten Akt ist in allem die Grenzüberschreitung zu spüren, die Gewaltbereitschaft in Johnson Körper offenbart sich hier. Er wird emotional und haltlos. Er zerquetscht dem Verdächtigen die Hand, er geht ihm an die Gurgel, er schlägt ihm den Mund blutig. Zum Schluss ist da so was wie Johnsons Beichte. Nicht der Verhörte gesteht, sondern der Polizist beichtet ihm von seinen dreckigen Gedanken und sexuellen Fantasien. Auch deshalb muss der vermeintliche Täter sterben, egal ob er nun schuldig war oder nicht. Ein lautes Knacksen setzt dem Ganzen ein Ende. Johnson hat Baxter den Kopf zertreten. Er hat dem Druck nicht standgehalten.