Blühende Landschaften sind es nicht, sondern weiße Plastestühle auf hellgrünem Kunstrasen, auf denen die Teilnehmer – abstandskonform verteilt – sitzen, während hinter ihnen, auf zwei großen Videoleinwänden, Filmszenen und Interviews die Bühnen-Dialoge mit Authentizität anreichern. Zum Beispiel Peter (65) aus Halle, ein Pastor und ökologischer Aktivist, der dabei war, als Friedrich Schorlemmer in Wittenberg 1983 ein Schwert zu einer Pflugschar umschmieden ließ. Die Stasi filmte, wie Peter höchstpersönlich das Schwert übergab. Und wie lief er eigentlich ab, der 9. Oktober in Leipzig? Hatten nicht diejenigen die höchste Macht, die Waffen bei sich trugen, sie aber nicht benutzten?
Zum 9.11.2020 dann macht sich eine Postkarte von Hamburg auf den Weg gen Halle: Mit „Alles Gute zur Wende“ beschriftet, steigt die mannshohe Pappkarte im Video in einen ICE, verfolgt von drängelnden, schwarzmaskierten Fledermäusen. Da ist sie wieder, die Blockade und ewige Frage nach einer Form des Gedenkens, die die Teilnehmer selbst immer wieder umschiffen, ironisch aufnehmen, auch sprachkritisch offenlassen. Der Begriff „Wende“ ginge ja gar nicht, missachtet er doch die semantische Prägung von Egon Krenz und den Aspekt der Friedensrevolution. Aber was feiern wir stattdessen? Eine Kapitulation? Eine Widervereinigung? Den Beitritt zum Grundgesetz?
Man hört im Stück von gebrochenen DDR-Biographien, nicht anerkannten Berufsabschlüssen und den Sünden der Treuhand. Angenehm klischeefrei gelingen diese Einblicke, weil sie im Dialog entwickelt werden durch die nachfragende Perspektive der Hamburger*innen. Und weil eine gewisse Selbstironie mitschwingt, wenn in der Hamburger Hafencity die Fledermäuse eine finale Strandparty feiern – und dabei immer noch ums richtige Denkmal streiten. Dass es die Deutschen nach 30 Jahren (!) nicht geschafft haben, ein solches Monument fertigzustellen, darüber kann man sich wahrlich empören. Man kann es aber auch als Symptom sehen für einen Prozess, der eben längst nicht abgeschlossen ist.