Foto: Tanz um die Banane am Theater Rampe in Stuttgart © Julia Schäfer/Theater Rampe
Text:Manfred Jahnke, am 29. November 2019
Was für ein schöner Raum: Nach hinten und auf dem Boden durchziehen weiße Streifen das Schwarz, so dass lauter Quadrate entstehen. Zudem hängt noch eine weitere Leinwand im Raum, der das gleiche Netzartige hat. Wenn diese herunter gezerrt wird, dann wird eine riesige Banane sichtbar, die sich im oberen Teil schälen lässt. Von unten ragt ihr ein altarähnliches Gestell entgegen. Das Bühnenbild von Lea Steinhilber macht schnell sinnfällig, worum es der Gruppe die apokalyptischen tänzer*innen geht: um die Anbetung der Banane in unserer westlichen Welt. Sie ist nun nicht nur eine der meistgegessenen exotischen Früchte hierzulande, sondern auch gewissermaßen Statussymbol. Aber mehr noch müsste eigentlich jeder Bissen im Halse steckenbleiben, wenn man die Geschichte der Banane rekapituliert, eine Geschichte von kolonialer Ausbeutung, Gewalt und voller rassistischer und sexistischer Zuschreibungen – man denke nur an die „Bananentänze“ einer Josephine Baker.
Darüber hinaus steckt Steinhilber die drei tanzenden Performer*innen in Kostüme, die einerseits klassische Ballettkostüme assoziieren lassen, andererseits jedoch verfremdet sind durch ein Gestell, an denen Bastfäden hängen, die an die Fäden, die eine Banane beim Auseinanderklappen macht, erinnern. Vorherrschende Farbe in den Kostümen ist Weiß über fleischfarbenen Trikots im Kontrast zum schwarzen Raum, in dem sich Calendal, Mona Louisa-Melinka Hempel und Jasmin Schädler, die zugleich auch das künstlerische Leitungsteam bilden, bewegen. Zu den Kompositionen von Sara Glojnarić, die stark von lateinamerikanischen Rhythmen getragen werden, tanzen die drei sehr showmäßig, wie es sich gehört, wenn man der „glamouröse(n) Erscheinung der Banane“ huldigen will. Darüber hinaus hat sich aber die seit 2017 bestehende Gruppe zum Ziel gesetzt, die Spannung zwischen Popkultur und verhandelten Themen – hier vor allem die Gewaltzusammenhänge, in denen die Produktion der Banane steht – haptisch auszudeuten. Aber so ganz will die Auflösung des Spannungsfeldes nicht gelingen. Die Show, geleitet von der Musik, entwickelt eine stärkere Sogkraft als der Text, mit dem die Perfomer*innen sachlich Fakten um die Banane vermitteln oder einfach nur Fragen stellen.
Wenn „Banana Island“ auch nicht unmittelbar partizipativ konzipiert ist, so sind doch alle ästhetischen Mittel diskursiv auf eine Offenheit gegenüber dem Publikum ausgerichtet. Das zeigt sich auch darin, dass die Gruppe die Zuschauer durch Workshops, Vorträge und Podiumsgespräche zum Thema am Entstehungsprozess teilhaben ließ. Darüber hinaus versuchen die apokalyptischen tänzer*innen vor Beginn der Vorstellung das Publikum für ihr Thema zu sensibilisieren, in dem Memory-Karten mit Frage- und Antwortkarten ausgegeben werden, bei dem sich die Partner im Foyer suchen und treffen sollen. Ganz hat das bei der Premiere im Stuttgarter Theater Rampe nicht geklappt, obschon in den Fragen und Antworten das von der Gruppe angestrebte Spannungsfeld deutlich wird. Ein Beispiel für eine Fragekarte gefällig?: „Das Einkommen von Plantagearbeiter*innen welchen Landes liegt unter der nationalen Armutsgrenze?“