Foto: "Rheingold" im Bauhaus-Stil. Erdas Auftritt in der 4. Szene mit Ulf Paulsen (Wotan), Javid Samadov (Donner) und Anja Schlosser (Erda) © Claudia Heysel
Text:Joachim Lange, am 2. Februar 2015
Tun wir mal so, als wüssten wir nicht, wo die Reise mit diesem „Rheingold“ in Dessau hingeht. Vergessen wir mal all das, was wir in der „Götterdämmerung“ erlebt haben und über „Siegfried“ und die „Walküre“ schon wissen, und nehmen den Vorabend der Tetralogie wirklich als Exposition. Stellen wir uns also für einen Moment ungefähr so blind für’s Kommende, wie Loge am Ende beim Einzug der Götter in Walhall. Dann würden wir darauf wetten, dass aus dem geschichteten und in sich verschobenen Riesenwürfel, den Wotan und seine Sippe mehr wie einen Götterspielplatz erklettern, denn als prangende Burg wirklich in Besitz nehmen, wohl noch in anderen Versionen wiederkehren wird.
Diese klaren, betont geometrischen Formen, die ein Eigenleben entfalten, sich mit Bedeutung aufladen lassen und deutlich von der Bauhaus-Ästhetik inspiriert sind, bilden tatsächlich bühnenästhetisch ein Leitmotiv dieses Rings. Die Abstraktion der Formen und das Spiel damit verweisen allerdings deutlich auf den inhaltlichen Anspruch eines Rings der „klassischen Moderne“. Dabei geht es um die Bilder, die sich der menschliche Verstand, vor allem aber die Kunst, von der Wirklichkeit machen, um diese zu verstehen, zu manipulieren oder zu verändern.
Was im „Rheingold“ mit einem schlichten zweidimensionalen Abbild der menschlichen, respektive göttlichen Gestalten (auf den halbrunden Projektionswänden im Hintergrund) beginnt, erweitert sich hier zu einem Bilder-Reigen von nicht weniger als dem gesamten kulturellen Erbe der Welt. Alberich singt ja tatsächlich vom Welterbe. Und sein monströser Fluch, nach dem Ringraub durch Wotan, wird dann von einem wahren Bilder-Shitstorm des Schreckens begleitet, für den das vorige Jahrhundert die Vorlagen geliefert hat. Da für diesen Wotan in der scheinbaren Höhe und für seinen Erzfeind Alberich in der scheinbaren Tiefe die Macht die Deutungsmacht der (Ab-)Bilder ist, so liegt es auf der Hand, dass das Nibelungengold hier aus lauter Filmrollen besteht. André Bücker verbindet diesen quasi philosophischen Wegweiser auf das Gesamtprojekt mit einer leichtfüßigen Personenregie. Was durch die historisch stilisierten, ganz in Weiß gehaltenen Kostüme von Suse Tobisch seinen eigenen Witz erhält. Es macht über weite Strecken einfach Spaß, den eitlen Göttern zuzusehen.
Weil Ulf Paulsen ein komödiantisch stimmstarker Wotan, Rita Kapfhammer eine erstklassige Fricka, Angelina Ruzzafante eine wunderbare Freia und Anja Schlosser eine attraktive sissiähnliche Erde ist, ist es auch eine pure Freude, zuzuhören. Dass nicht nur der Götterclan, sondern auch Alberich (Stefan Adam) und Mime(Ivan Tursic) oder Fasolt (Stephan Klemm) und Fafner (Dirk Aleschus) und natürlich der wendige Loge (Albrecht Kludszuweit) und die Rheintöchter ihre stimmlichen Möglichkeiten voll einbringen können, haben sie auch dem GMD Antony Hermus zu verdanken. Der ist am Pult der Anhaltischen Philharmonie in Hochform, liefert den leichten Konversationston ebenso mühelos wie den großen Bogen, den dieser höchst gelungene Auftakt des Großprojektes braucht, um die Schubkraft fürs Ganze zu entfalten. Im Mai und im Juni wird man das bei zwei Aufführungs-Zyklen in der „richtigen“ Reihenfolge der einzelnen Teile noch einmal überprüfen können.