Foto: Die Plüschtiere tanzen durch den Traum: Celine Werkhoven (Spinne), Fhunyue Gao (Zauberer) und Maria Demandt (Drache) © Paul Leclaire / Oper Köln
Text:Andreas Falentin, am 11. Februar 2019
Die Welt ist ein weißes Viereck, strukturiert durch von oben herab hängende weiße Schleier. Sie begrenzen den Blick. Und können ihn auch schärfen. Vielleicht. In der Mitte ein Kind in einem Krankenhausbett. Es trägt eine Art Overall mit Drachenkamm und rotes Strubbelhaar. Not marked for Gender. In der ersten Szene wird es von vier Gestalten traktiert. Sie tragen weiß und haben grüne Kappen auf. Sie könnten Pflegepersonal sein. Oder Bakterien. In jedem Fall sorgen sie für eine klinische Atmosphäre – und für Bedrohung durch Fremdbestimmung. Das Kind ist allein im fremden Umfeld, ohne Schutz, seiner Phantasie, seinen Ängsten und Träumen überlassen. Darum geht es in dieser einen Stunde Tanztheater für Kinder.
Die der Choreograph Johnny Lloyd selten abwechslungsreich füllt, mit einem wunderbaren Stilmix aus Altem und Neuem, aus natürlichen Bewegungen, kunstvollen Symmetrien, Anklängen an fernöstliche Tanztraditionen und konkret deutbarer Pantomimik bis hin zur Akrobatik. Und augenzwinkernde Anspielungen aufs klassische Ballett fehlen auch nicht. Wie im Vorgänger an der Oper Köln, „Zwischen den Seiten“, ist die Musik wieder von Sven Kacirek. Wieder spielt er sie selbst. Und wieder ist sie ein Ereignis, eine Art stark rhythmisierter experimenteller Meditationsmusik für Marimba und Elektronik featuring Yunah Proost am Cello. Dazu bedient immer wieder eine Tänzerin das Theremin. Überhaupt ist großartig, wie hier die beiden Musiker, die links der Bühne platziert sind, mit den fünf Tänzerinnen ein Team bilden. Die Zusammenarbeit kulminiert in einer Szene, in der vier der fünf Tänzerinnen die Kapelle entern, um sie zu einer solchen zu machen. Eine stürzt ans Theremin, eine ans Marimba, eine macht knisternde Geräusche, eine Stimmakrobatik. Daraus entsteht das bildschöne, dreistimmige Absingen eines holländischen Kinderliedes. Da macht das auf der Bühne verbliebene Kind, die enorm ausdrucksstarke aber nie exaltierte Lisa Bless, was jeder machen würde: Es freut sich dran und schläft in Frieden ein.
Und träumt von unscharfen, sich zuspitzenden Bedrohungen. Und von Freundschaften. Und am Ende – eine große Stärke, vielleicht aber auch eine kleine Schwäche dieser wunderbaren Aufführung – sind alle Rätsel gelöst. Und wir finden den Namen des Stückes wieder. Das Kind ist zuhause. Bei der Mutter. Und die Bildspender waren seine Kuschel- und Spielfiguren. Und es schläft nicht nur friedlich, sondern auch behütet ein. Oder ist auch das ein Traum?