Foto: Szene mit Manuel Günther (Aristea) und Ida Aldrian (Orontea) © Werner Hinniger
Text:Elisabeth Richter, am 8. Juli 2014
Er kam aus einer armen Familie aus dem toskanischen Arezzo, trat in den Franziskaner-Orden ein, um eine musikalische Ausbildung erhalten zu können und wurde zu einem der berühmtesten und erfolgreichsten Opern-Komponisten des 17. Jahrhunderts: Pietro Antonio Cesti (1623-1669). Nicht nur seine bekannteste Oper „Orontea“ ist zu Unrecht vergessen. Vermutlich 1656 (auch 1649 wird als Datum genannt) wurde sie in Innsbruck uraufgeführt, als Cesti Kapellmeister in Diensten des Erzherzogs Ferdinand Karl war. Dann schlummerte sie in verschiedenen Archiven. Eine Aufführung 1961 im Mailänder Piccolo Teatro blieb ohne Folgen. Die Renaissance setzte Anfang der 1980ger Jahr mit der Wiederaufführung bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik durch René Jacobs ein. Jetzt hat sich die Hamburgische Staatsoper des lohnenden Werkes angenommen, auch in Innsbruck wird „Orontea“ in diesem Sommer zu sehen sein, und in der kommenden Spielzeit an der Oper Frankfurt.
Die ägyptische Königin Orontea weigert sich beharrlich zu heiraten, und verliebt sich dennoch in den attraktiven Maler Alidoro, der sich am Ende als Prinz entpuppt, der vor langer Zeit entführt wurde. In die Haupthandlung sind Verwechselungen und Verkleidungen eingewoben, Narren, Ammen und andere komische Figuren treiben ihr Unwesen, bis am Schluss nicht nur Orontea und Alidoro ein Paar werden. Silandra findet Clorindo, Giacinta Gelone. Aristea hat Alidoro wie ihren eigenen Sohn aufgezogen, Creonte, der Philosoph zeigt sich als Urahn von Mozarts Don Alfonso, der intrigant seine Fäden bei den Liebes-Verwirr-Spielchen zieht.
Die Hamburgische Staatsoper zeigt „Orontea“ als jährliche Produktion ihres Internationalen Opernstudios auf der Studiobühne „opera stabile“. Alle acht Partien wurden von den sieben jungen Opernstudio-Sängern sowie dem Countertenor Michael Taylor als Gast hoch professionell gesungen und gespielt. In den wundervoll ausgewogenen Mezzosopran von Ida Aldrian in der Titelpartie der Orontea kann man sich verlieben, Ida Aldrian sang exzellent und vor allem mit stilistischem Gespür für diese frühe Barockoper. Sergiu Saplacan als Alidoro faszinierte mit einem warm timbrierten Tenor und auch durch sein Spieltalent, ihm unterliefen jedoch zuweilen stilistische Brüche, die Stimmgebung rutschte ins 19. Jahrhundert. Eine Gefahr, der Bariton Vincenzo Neri (Gelone) und Tenor Manuel Günther (Aristea) weniger unterlagen. Auch die beiden Sopranpartien waren mit Solen Mainguené (Silandra) und Anat Edri (Giacinta) hervorragend besetzt.
Regisseurin Anja Krietsch setzte auf das Zeitlose des Stoffes. Liebesverwirrspiele in der Barockoper dienten ohnehin immer der Identitätsfindung. Das szenische Spiel hatte Spannung, selbst die manchmal langen, schwierig zu inszenierenden rezitativischen Passagen gelangen kurzweilig.
Eine ägyptische Königin gibt es nicht, dafür eine distanzierte Diva, die im Theater mit Regisseur, Assistenten, Beleuchtern und anderen Theater-Leuten ihren Auftritt probt. Theater auf dem Theater. Die Bühne (Nora Husmann) hat drei Ebenen. Alle Beteiligten sind immer da, mitten drin oder am Rand, wo sie etwa das Regie-Skript verfolgen. Aristea, die Tenor Manuel Günther als Transvestit spielt, schminkt sich permanent, Gelone genehmigt sich ein Gläschen nach dem anderen. Orontea thront hoch oben, wenn sie nicht zum Auftritt nach unten kommt.
Cestis Partitur zu „Orontea“ ist zwar in mehreren Abschriften überliefert, aber – wie damals üblich – notierte der Komponist nur das Nötigste auf wenigen Systemen. So muss die Partitur für jede heutige Aufführung praktisch für die jeweiligen Gegebenheiten eingerichtet werden. In Hamburg spielten nur neun Musiker der Philharmoniker Hamburg, die ihre Sache auch stilistisch recht gut machten. Und Dirigent Nicholas Carter ging mit viel Esprit an die Sache. Eine lohnende Produktion.