Ob das wirklich alles spontane Freiwillige sind, die da sprechen, ist anfangs ein Rätsel. Wenn nach nur wenigen Sekunden sofort eine junge Frau bereit ist, vorm Publikum aufzutreten, ist anzunehmen, dass zumindest einige von ihnen nicht ganz unvorbereitet im Saal sind. Aber irgendwann ist es egal, weil sich dieses Spiel um Authentizität ähnlich schnell totläuft wie die Sache mit den „Experten des Alltags“, auf die Rimini Protokoll sonst oft setzt. Denn es ist kein authentischeres Spiel, wenn ein Laie Situationen aus seinem Leben darstellt als wenn ein Darsteller das tut. Diese Art dokumentarisches Theater hat Elemente der Selbstemanzipation für die Beteiligten, aber keinen Mehrwert der „Echtheit“ fürs Publikum. Und an diesem Abend der Abwesenheit ist es unerheblich, ob es diese Menschen hinter dem Text wirklich gibt. Laien treten auf und sprechen vorgegebenen Text – mal besser, mal schlechter. Ob man dabei anwesend sein und weiter zuschauen will, schießt dem Kritiker mehrfach fragend durch den Kopf. Zumal die vorgebliche Ökonomie dieses Stellvertreterprinzips, das hier ausprobiert werden soll, schon dadurch bezweifelt werden kann, weil ein Tross von Kritikern extra von weit entfernt angereist ist.
Inhaltlich mag es passen, genau mit einem Abend über die Abwesenheit wieder in den Vorort-Betrieb einzusteigen: Vom Timing her – und das ist alles beim Theater – war das keine gute Idee. Eine überfrachtete Textcollage, die allein mit der forcierenden Dramaturgie des Mitmachtheaters operiert, erzeugt so einen zähen Strom mal mehr, mal weniger kluger Gedanken und hallt als politisches Lehrstück leer nach. Während der Schließungen konnte man lernen, dass Theater ohne Publikum nicht funktioniert. In Dresden ist nun zu erleben, dass es ohne Schauspielende wohl auch nicht geht. Statt einem Abend beizuwohnen, der endlich wieder entflammende Spiel- und Sehlust zeigt, gereicht es hier nur zur bloßen Abwesenheitsnotiz.