Text:Ute Grundmann, am 24. November 2014
Es geht durch einen engen Gang, von Gittern begrenzt, über knisternde Wärmefolie, wie man sie Geretteten umlegt. Nur einzeln können die Zuschauer da hindurch, vorbei an Menschen, die sich an die Gitter klammern, an Kleidung, an Wasserkanister, die dort hängen, durch beißenden Nebel. Auch auf der Bühne (Gesine Pitzer) stehen Gitter, sperren ab, bilden eine Zelle – Sinnbild sowohl für Lager als auch für die Abschottung Europas gegen Flüchtlinge. So beginnt im „Heizhaus“, der kleinen Spielstätte des Landestheaters Altenburg, eine ungewöhnliche Koproduktion. Das Carrefour International de Théàtre de Ouagadougou aus Burkina Faso und Theater&Philharmonie Thüringen (Altenburg-Gera) haben gemeinsam einen Bühnenabend über die Flüchtlingsdramatik erarbeitet; Paul Zoungrana und Schauspieldirektor Bernhard Stengele haben, nach Euripides‘ und Aischylos‘ „Die Schutzflehenden“, den Text geschrieben, Stengele hat ihn inszeniert.
Vier Schauspieler aus Thüringen und sechs aus Burkina Faso rufen da zu Beginn wütend „Wir sind das Volk!“, von der Revolution in Burkina Faso findet der Text zur Friedlichen Revolution in Ostdeutschland, von da zur Menschenrechts-Charta und zu Protokollen der EU. Skandiert wird in Französisch und Deutsch, mal gemeinsam, mal das französische Deutsch nachgesprochen. Die Szene eines zitternden, stockend sprechenden Flüchtlings wird abgefilmt und als Video gezeigt; auch sinkende Papierschiffchen sind immer wieder zu sehen.
Das hat von Beginn an Ton und Gestus von Wut, Verzweiflung und Trauer um die Toten – nur leider erfährt man über die Figuren, die Menschen, die dort auf der Bühne agieren, nichts. Sie bleiben Sprachrohre der Empörung über die Situation, wie sie ist, und da passen dann auch noch „Helmut-das-Boot-ist-voll-Kohl“, der Berliner Flughafen, Stuttgart 21, die Maut und die Banken hinein. Zu wirklichen Spielszenen findet die Inszenierung selten, etwa wenn eine Polizistin, den Arm wie einen Schlagbaum erhoben, Flüchtlinge „empfängt“, die, wenn sie aus dem „falschen“ Land kommen, „Raus!“ gefaucht werden. Oder wenn sich die Vorlage in die heutigen Texte mischt – als lange Tradition von Flüchtenden. Und wenn anhand von Landkarten die europäische Flüchtlingspolitik („Drittstaatenregelung“) ausführlich erläutert wird und einem der Darsteller dazu nur ein fassungsloses „Je ne comprend pas“ entfährt, ergibt das ein nachdrückliche Szene. Doch sonst bleiben die 100 Minuten doch sehr am Offensichtlichen, auch Plakativen, ob nun eine Menschenrechtserklärung (Manden-Charta) aus dem Mali des 13. Jahrhunderts zitiert oder die Zeile „Ein Leben ist einem anderen nicht überlegen“ als Rap dargeboten wird. Am Ende reihen sich die Darsteller mit den Symbolen des Abends auf und skandieren in beiden Sprachen „unbekannt“, „verschollen“ – und man ist damit wieder am bedrückenden Beginn.