Foto: Die Freunde am Bösen: Lars Eidinger als Richard III. an der Schaubühne Berlin © Arno Declair
Text:Bettina Weber, am 6. Februar 2015
Lasst uns das Böse feiern! Diese Einladung steht sofort im Raum der Inszenierung von „Richard III.“, und das nicht nur, weil gleich zum Einstieg mit lautem Rock und Konfetti die Gesellschaft am englischen Hof eine Party feiert. Schon der Raum selbst lädt ein: Das neu in den Saal C gebaute elisabethanische Theater der Schaubühne (Bühne: Jan Pappelbaum) holt die Zuschauer sogleich als Beteiligte ins Boot und ganz nah ran an Shakespeares Drama, das in den folgenden gut zweieinhalb Stunden Lars Eidinger in der Hauptrolle des Bösewichts Richard sehr eindrücklich bestimmen wird. Natürlich sind auch die Erwartungen groß, wenn Thomas Ostermeier wieder einen Shakespeare inszeniert mit Lars Eidinger in der Hauptrolle. Zusammen haben sie mit dem „Hamlet“ eine Inszenierung geschaffen, die um die Welt tourt.
Und weil natürlich in einem Globe Theatre kein Shakespeare zerhackt werden kann, sondern automatisch auch in ein klassisches Korsett gemauert wird, ist es keine große Überraschung, dass der Zuschauer eine atmosphärisch modernisierte, aber chronologisch gradlinige, recht unaufgeregte Inszenierung zu sehen bekommt. Rätsel gibt es keine, keine wesentlichen Eingriffe in die Grundstruktur des Dramas, auch nicht durch die mit Alltagssätzen („Ey Mann, was siehst du scheiße aus“) gespickte, sonst fast gediegene Übersetzung von Marius von Mayenburg. Der Abend kommt eher als elisabethanisches Poptheater daher: Streitigkeiten und Monologe werden musikalisch unterfüttert (Musik: Nils Ostendorf), unheilvolle schwarze Wolken und Raben durch Videos an die Wände assoziiert, und ansonsten widmet sich die Regie ganz dem monströsen Wesen des Bösen, konzentriert in Richard III., der als Außenseiter sich allein durch Morde und Intrigen seinen Königsthron ergattert. Wie es die Vorlage vorsieht, spielt ihn Lars Eidinger als einen Gebuckelten, einen „zu grob Ausgestanzten“, so seine Selbstbeschreibung. Eidinger kostet die Böshaftigkeit des Scheusals – wie auch die anderen nicht müde werden ihn zu nennen – mit zahlreichen Gesichtern so saftig aus, wie der Protagonist selbst sich an seinen eigenen bösen Taten zu ergötzen weiß. Und es ist eine voyeuristische Freude, dabei zuzusehen. Lars Eidinger stilisiert die Figur so heftig aus seinem Umfeld heraus, dass fraglich ist, ob es den aufgehängten Buckel am Ende tatsächlich gebraucht hätte.
Aussäen kann Richard seine Intrigen und Verrat natürlich nur dort, wo der Boden hierfür bereitet ist – auch die Fäulnis der elisabethanischen Gesellschaft, im Spiel des Ensembles kraftvoll getragen, soll betont werden an diesem Abend. So kann Richard die trauernde Lady Anne (Jenny König), die ihn gerade noch verflucht und beleidigt hat, noch am Grabe ihres durch seine Hand getöteten Mannes für sich gewinnen. Er hat keine große Mühe, seine Helfer zu täuschen und zu manipulieren. Und auch Margaret kann die Übrigen – in einem grandiosen Auftritt von Robert Beyer – nur noch verfluchen.
Zuletzt droht dann dem Bösen aber auch das Ende, gequält durch die Geister seiner Opfer wird Richard getötet. Es ist nun der vielleicht schönste Antiheldentod, den das Theater seit langem gesehen hat, denn anstatt auf dem Feld erstochen zu werden, kämpft dieser Richard mit Unsichtbaren, wild und mit zwei Degen turnt Eidunger ein letztes Mal durch den Raum. Sterben muss ja jeder ganz allein.
Die Inszenierung ist vielleicht nicht Avantgarde, aber sie entwickelt als großes Schauspielertheater einen starken Sog. Damit dürfte der nächste Tour-Erfolg der Schaubühne quittiert sein – obwohl die Karten für die Folgevorstellungen natürlich sowieso schon vor der Premiere verkauft waren.