Foto: Jesus Maria (Miquel de Jong) und Maria (Judith Hofmann) in Deal Lohers "Gaunerstück" am DT Berlin © Arno Declair
Text:Detlev Baur, am 14. Januar 2015
Jesus Maria und Maria sind Zwillinge, ihr Vater ist ein verschwundener Spanier, die Mutter unglückliche Alleinerziehende, vereinsamt gestorben. Und die beiden jungen Erwachsenen warten nun in einem Hotelzimmer in Antwerpen auf das Vergehen der Nacht. Dea Lohers „Gaunerstück“ ist eine bunte Anekdote über das verschrobene Gaunerpärchen, das durch Wunder zu Schmuck kam, und diesen nun zu Geld machen will. Wunder hieß ein Juwelier in ihrer Heimatstadt. Das prekäre, aber humorvolle Zwillingspaar berichtet in Monologform bzw. im vertrauten Zwillingsgespräch seine Geschichte einschließlich zweier weiterer skurriler Figuren: die Wahrsagerin Bonafide und der sterbenskranke Porno-Otto. Dem Juwelier Wunder stahl Maria einen unwiderstehlichen Ring, woraufhin der dem Geschwisterpaar vorschlägt, Wunder zwecks Versicherungsbetrugs zu überfallen, und ihnen dafür ein Honorar zu zahlen. Das Gaunerstück gelingt, nur lesen die beiden am folgenden Tag, dass – oh Wunder und Jesus Maria – der Juwelier bei der Aktion an einem Herzinfarkt starb. Nun sind nach der Mutter auch noch der freundliche Geschäftsmann sowie der sensible Pornofilmer Otto gestorben; und das Paar macht sich in der Schmuckstadt Antwerpen an die Umwandlung der Juwelen in bezahlbares Glück.
Das klischeestrotzende Stück hält bewundernswert eine poetische Balance aus Distanz und Empathie. Porno-Ottos Haiku mit Reim, „Ohne Zynismus / zu leben dafür mit Stil / wär ein gutes Ziel“ beschreibt die Temperatur unter den Figuren recht genau. Alice Zanddwjiks Uraufführung in den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin (eine Koproduktion mit dem Rotterdamer Ro-Theater) verdoppelt die Zwillinge binational. Maria wird von Judith Hofmann und Fania Sorel relativ ausgewogen gespielt, während bei Jesus Maria Hans Löw klar den Ton angibt. Miquel de Jong bleibt derweil (der auch für die schönen kurzen Choreographien verantwortlich ist) eher ein stiller Begleiter. Diese Konstellation wird von den Darstellern in ein entspanntes Spiel zwischen Distanz zu ihren Figuren und sympathischer Vorstellung von Schicksalen umgemünzt. Begleitet werden sie vom Musiker Beppe Costa, der auch einen italienischen Porno-Otto mimt und Elias Arens, der einen tänzerisch-zuckenden Herrn Wunder und eine stolze Madame Bonafide spielt. Thomas Rupperts verkommener türkis gestrichener Raum changiert zwischen Matratzenlager sowie Warte- und Musikraum und stellt mit zwei Waschmaschinen eine Verbindung sowohl zu Wäscherei, der Arbeitsstätte der Mutter, als auch zum Aquarium in Bonafides Wohnung her.
Die Inszenierung lässt sich voll auf die poetisch-humoresken Töne des „Gaunerstücks“ ein und unterstreicht diese. Im Lauf der zwei Stunden sorgt das moderate Spiel der verdoppelten Hauptfiguren aber auch für einen Tempoverlust, der mit einer gewissen Unverbindlichkeit der Geschichte zu tun haben dürfte. Der Vater von Maria und Jesus Maria bleibt eine blasse Erinnerung, die Mutter ist Vergangenheit und die Zukunft der beiden ungewiss. Die Inszenierung ist eine Art traumhaft erzählte Anekdote, die Figuren bleiben für uns flüchtige Bekannte, so wir Herr Wunder für die Zwillinge nur flüchtig bekannt blieb. Dieses „Gaunerstück“ ist ein zartes, gänzlich unkriminelles Kammerspiel, eine Anregung zum Träumen über das Glück.