Chorisches im aktuellen Heft der Deutschen Bühne

Krisentagebuch 4: Welt ohne Theater-Tage

Heute ist Welttheatertag. Ehrlich gesagt, wäre uns das fast durchgerutscht; so vielfältig ist die Organisation einer Redaktion im Homeoffice und die Entwicklung neuer, der Krise angemessener Heft- und Onlineformate. Aber wir haben es dank der Kollegen anderer Medien doch noch gemerkt. Dieser weltweite Tag des Theaters wird ziemlich global theaterfrei sein.

Mehr als zwei Menschen sollen sich nicht mehr treffen, das könnte theoretisch immerhin noch für einen deftigen Dialog reichen. Für größere Menschenansammlungen ist aber keinerlei legale Grundlage mehr gegeben, Chöre sind also total unmöglich auf den Bühnen dieser Welt. Und dabei geht es in unserem März-Heft um den Theaterchor, unter dem Motto: Und jetzt alle!

Der Theaterchor ist für mich eine Art Lebensthema, gerade weil ich dieses seltsame Konstrukt bis heute nicht auf einen Nenner bringen kann. Ich verstehe ihn nicht und komme durch ihn doch zu immer neuen Einsichten. Und gerade in der gegenwärtigen, theaterfreien Ausnahmesituation scheint ausgerechnet er mir das adäquate Theatermittel zu sein. Der Chor handelt nicht, sondern reagiert, er steht nicht für den (falsch) handelnden Weltgestalter, sondern ist der Betroffene des Geschehens. Er ist Experte in kontrollierter Atmung und steht für eine solidarische oder gar ideale Gesellschaft.

In seinem wunderbaren poetischen Essay in unserem Chorschwerpunkt schreibt der Dramaturg Alexander Kerlin: „Der Chor ist nichts für Individualisten, die ihre Triebe für ihre Freiheit halten. Der Chor hat keinen Willen, aber wir müssen uns klarmachen, dass das eine Qualität ist. Der Chor kennt seinen Weg, insofern ist er verkörpertes Schicksal.“ Das sind für mich die Worte zum heutigen Welttheatertag.