Zum Tod von Udo Zimmermann
Foto: Udo Zimmermann © Andreas H Birkigt Text:Ute Grundmann, am 1. November 2021
Komponist, Intendant, Ermöglicher. Vielleicht hätte Udo Zimmermann den dritten Titel gewählt, um sein Wirken für das Musiktheater zu umreißen. Der 1943 in Dresden Geborene hatte als Kruzianer noch unter Rudolf Mauersberger gesungen; später gehörte er als Komponist nicht zur avancierten Avantgarde in der DDR, eine sinnliche Musiksprache blieb ihm eigen. Früh wurden seine gemäßigt modernen Werke auch im Westen gespielt – nicht nur, aber auch seine Kammeroper „Weiße Rose“ aus dem Jahr 1986, mit der er die Innenwelt der Widerstandskämpfer Sophie und Hans Scholl nachzeichnete. Mehr als 200-mal wurde dieses Werk bislang inszeniert, zuletzt zum 100. Geburtstag von Sophie Scholl. Auch seine Märchenoper „Der Schuhu und die fliegende Prinzessin“ (1976) nach Peter Hacks hält sich achtbar im Repertoire, gerade ist sie in Chemnitz zu sehen.
Intendanz in Leipzig
Als Udo Zimmermann 1990 Intendant der Oper Leipzig wurde (und es bis 2001 blieb), machte er das zeitgenössische Musiktheater zu seinem Programm. Anfangs waren die Hälfte der Neuinszenierungen moderne Werke und Uraufführungen, Ruth Berghaus, Peter Konwitschny und George Tabori inszenierten im Haus am Augustusplatz. In der eher dürren Trauermeldung der Oper Leipzig bekundete der jetzige Intendant Ulf Schirmer: „Udo Zimmermann war für die neuere Musikgeschichte ein wichtiger Inspirator und für die Oper Leipzig ein prägender Fundamentleger.“
Die Leipziger Ballettcompagnie immerhin widmete die nächstmögliche Vorstellung nach dessen Tod seinem Andenken: „Lamento“ in der Choreographie von Mario Schröder, zu Musik auch von Udo Zimmermann. Die Basis dieser Compagnie entstand während seiner Theaterleitung – er holte und hielt Uwe Scholz als Chefchoreographen. Unter den vielen Uraufführungen war 1992 auch Scholz’ Ballett „Pax questuosa“ auf Zimmermanns Komposition; bis heute sind einige Tanzstücke von Uwe Scholz, der 2004 starb, im Leipziger Repertoire. Die Feuilletons waren begeistert von Udo Zimmermanns zielstrebiger Zeitgenossenschaft, das Publikum schon weniger. Der von der Stadtspitze gewollte Nachfolger Henri Maier setzte mehr auf Populäres – nun waren die Kritiker nicht mehr so begeistert. Währenddessen scheiterte Udo Zimmermann an der Deutschen Oper Berlin nach nur zwei Jahren auch am nicht so avantgarde-freudigen Christian Thielemann.
Im Gespräch konnte der Komponist durchaus eitel, egozentrisch und auf seine Wirkung bedacht sein. Aber er sprach und stritt nicht für sich allein, sondern immer auch für andere Komponisten und ihre Werke, die für ihn auf Bühne und Konzertpodium gehörten. So konnte Karlheinz Stockhausen 1996 in Leipzig mit „Freitag aus Licht“ seinen großen Zyklus abschließen. Auch Jörg Herchets „Abraum“ (1997) und Dieter Schnebels „Majakowskis Tod – Totentanz“ (1998) wurden hier uraufgeführt – oft szenisch wie musikalisch bewegende Abende.
Einfluss in Dresden
Das Dresdner Zentrum für zeitgenössische Musik, aus dem das heutige Europäische Zentrum der Künste in Hellerau entstand, wäre ohne seine Förderung und Fürsprache kaum denkbar und wohl kaum so lange existent. Als Gründungsintendant stand er hier bis 2008 an der Spitze. Dabei war Udo Zimmermanns Ausrichtung auf die Avantgarde nie abstrakt, er wollte immer und unbedingt das Publikum mit diesen Werken erreichen. Bei den Studenten der Dresdner Musikhochschule ist ihm dies gelungen, wie Rektor Axel Köhler nach dessen Tod betonte: „Die Studenten waren stets mitgerissen von Zimmermanns Leidenschaft beim Komponieren.“
Vor zehn Jahren zog sich Udo Zimmermann wegen einer schweren Erkrankung aus der Öffentlichkeit zurück. Sein letztes Werk wird ein Klagegesang für Violine, Stimme und Orchester bleiben. Seinen Wunsch einer „Gantenbein“-Oper, seiner siebten, konnte Udo Zimmermann nicht mehr verwirklichen.