Zum Tod von Ismael Ivo
Foto: Ismael Ivo, ein charismatischer Botschafter des zeitgenössischen Tanzes © Karolina Miernik Text:Detlef Brandenburg, am 9. April 2021
Eben erreicht uns eine Mail von Karl Regensburger und dem ImPulsTanz-Team in Wien mit einer wirklich traurigen Nachricht: Ismael Ivo, eine der Leitfiguren des zeitgenössischen Tanzes und ImPulsTanz-Mitbegründer, erlag am gestrigen Donnerstag (8. April) im Alter von 66 Jahren einer Covid-19-Infektion – in São Paulo, dort, wo er am 17. Januar 1955 auch geboren wurde. Um zu ermessen, wie groß dieser Verlust ist, muss man sich den Lebensweg dieses großartigen Künstlers und Menschen noch einmal in Erinnerung rufen. Denn er war nicht nur ein prägender Tänzer und Choreograph, sondern ebenso sehr auch ein charismatischer Botschafter des zeitgenössischen Tanzes, ein Initiator und Organisator, dessen Stimme präsent war und der sich mit Leidenschaft und Liebe zur Sache auch immer wieder auf institutionelle Aufgaben einließ.
1984 gründete er neben seinem vielfältigen künstlerischen Schaffen gemeinsam mit Karl Regensburger die Internationalen Tanzwochen Wien – seit 1988 heißen sie ImPulsTanz – Vienna International Dance Festival, wo er bis zuletzt als künstlerischer Berater tätig war. Von 1997 bis 2000 war er Chefchoreograf am Deutschen Nationaltheater Weimar, von 2005 bis 2012 leitete er die Sparte Tanz der Biennale di Venezia und das International Festival of Contemporary Dance in Venedig. Dort rief er den Goldenen Löwen der Biennale für Tanz ins Leben, den er Pina Bausch, Jiří Kylián, Carolyn Carlson, William Forsythe und Sylvie Guillem überreichen durfte. Die Entwicklung und Stärkung professioneller Ausbildungsprogramme für Tänzer und Tänzerinnen war ihm ein besonderes Anliegen. So gründete er 2009 das Contemporary Dance Research Center Arsenale della Danza in Venedig, ein Projekt, das er 2013 bis 2017 in Wien und São Paulo unter dem Namen Biblioteca do Corpo fortführte. Von 2017 bis 2020 war er dann Direktor des Balé da Cidade de São Paulo und leitete gemeinsam mit Dirigent Roberto Minczuk das Theatro Municipal de São Paulo.
Ismael Ivo studierte Tanz und Schauspiel in São Paulo. 1983 setzte er seine Arbeit als Choreograph und Tänzer in New York fort und entwickelte seine künstlerische Sprache unter anderem gemeinsam mit dem japanischen Butoh-Tänzer Ushio Amagatsu weiter. Sein unverwechselbarer und kraftvoller Stil prägte neben vielen anderen auch die Ästhetik des Pioniers des deutschen Tanztheaters, Johann Kresnik. Ivo war immer neugierig auf Kollaborationen mit Künstlern unterschiedlichster Disziplinen, so etwa mit Heiner Müller, George Tabori, Marcia Haydée oder Marina Abramović. Mit über fünfzig eigenen abendfüllenden Stücken ging er auf Welttourneen und wurde so zu einem der berühmtesten Protagonisten des Tanztheaters.
Bei ImPulsTanz war er zuletzt im Jahr 2019 mit seinen Workshops präsent, mit denen er über Jahrzehnte Generationen von Hobby- und Profi-Tänzerinnen und -Tänzer begeistert hatte. Karl Regensburger charakterisiert ihn so „Es war uns eine Ehre, Ismael an unserer Seite zu wissen – welch ein wunderbarer und großzügiger Mensch!“