Es sitzen im Gespräch: Nuran David Calis, Michael Laages, Vivan Bhatti und Amir Gudarzi.

Salzburger Symposium: Das Theater der Zukunft

Am Salzburger Landestheater verhandelte eine Tagung „Das Theater der Zukunft. Anfang und Ende des zeitgenössischen Kanons“. Gibt es diesen Kanon überhaupt noch? Und wie kann die Bindung zwischen Theater und Publikum verbessert werden? In Salzburg suchte man Antworten.

Am Ende stand weniger der Blick nach vorn als vielmehr der auf’s Heute, aber wie durch ein Vergrößerungsglas, das Vergangen als Wurzel kenntlich werden lässt für Zeitgenossenschaft. Die „Odyssee“ des Homer hat der Regisseur Nuran David Calis überschrieben. Und sie wird zum Panorama unserer Welt, wie sie ist: zersplitternd in Gewalt und Krieg, Überfall und Besetzung, Flucht und Vertreibung, Rückkehr und Heimat. Demnächst wird Calis Schauspieldirektor am Landestheater in Salzburg. Und nicht nur in dieser Funktion, sondern auch als Kurator und Ideenstifter hat er sich vorgestellt. Zwei Tage lang diskutierten Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines vielstimmigen Symposiums über „Das Theater der Zukunft“.

Szene aus „Odyssee“ mit Sarah Zaharanski, Matthias Hermann, Gregor Schulz und Leyla Bischoff.

Die Ausgangsfrage allerdings führte nur per Umweg in die Zukunft. Infrage stellte die Wiener Journalistin Margarete Affenzeller zunächst den „Kanon“, die Kern-Auswahl also von Stücken und Stoffen, von denen das Theater immer wieder behauptet, es wolle sie neu erkunden. Aber gibt es diesen Kanon überhaupt noch? Zuletzt hatte der für’s Theater ja eher weniger prägende Literatur-Kritiker Marcel Reich-Ranicki einen aufgestellt. Das ist lange her. Für die Bühnen heute ist er von äußerst geringer Bedeutung. Aber natürlich vermitteln die Werkstatistiken des Bühnenvereins gültige Werte über das, was immer wieder in den Spielplänen platziert wird. Und natürlich wird von dort aus umstandslos klar, was unverändert unterrepräsentiert bleibt oder vollkommen fehlt. Tauglich für aktuelle Diskurse, etwa über Gender-Gerechtigkeit, über Erbe und Gegenwart des Rassismus oder Klassen-Zugehörigkeiten, wird das Theater nicht, solange es fixiert bleibt auf kulturelle Überlieferung.

Alles in Bewegung im Theater

Aber längst ist ja alles ein Bewegung, mal weniger, mal mehr, in Inhalte und Form – und niemand auf den verschiedenen Podien und Gesprächsrunden hat ernstlich zu bestreiten versucht, dass genau diese Bewegung das Theater jenseits vieler Moden zukunftsfähig werden lässt, ob nun in den festen, öffentlich mitfinanzierten Häusern oder in welchem Produktionszusammenhang auch immer. Die wirkliche Gefahr droht im politischen Alltag. Autor Albert Ostermaier etwa malte im abschließenden Gespräch das Horror-Szenario des kommenden Jahrzehnts: mit radikal reduzierten Finanzvorgaben auf lokaler, regionaler und staatlicher Ebene, und in der Folge zahlreicher Theater-Schließungen.

Aber was hilft?

Was dagegen hilft? Gerade aus jenen Regionen im weiten Raum des deutschsprachigen Theaters, deren Bühnen nicht regelmäßig im Fokus öffentlichen Interesses stehen, kamen viele praktische Ideen für strukturelle Verbesserungen, auch und gerade was die intensive Bindung zwischen Theater und Publikum betrifft. Auch die müssten erobert werden, die sich immer noch nicht angemessen wahrgenommen fühlen vom Theater und als Kundinnen und Kunden darum nicht erreichbar sind.

Die beste Parole kommt da immer noch vom Theater-Unikat Christoph Schlingensief: „Machen, machen, machen!“ hatte er immer wieder gefordert, auch ohne Erfolgsgarantie. Fundamentaler Arbeits-Optimismus ist gefragt, und die positiven Beispiele gehören in den Mittelpunkt. So wie das neue Schauspiel in Eisenach, wiederbelebt drei Jahrzehnte nach der wendebedingten Abwicklung. Und auch, dass der Deutsche Theaterpreis DER FAUST im November am Zwei-Städte-Theater in Gera und Altenburg verliehen wird, ist sicher ein gutes Signal.

DIE DEUTSCHE BÜHNE war Medienpartner beim Symposium.