Das PAD-Festival in Wiesbaden: KI trifft Bühne

Beim PAD-Festival in Wiesbaden trifft Künstliche Intelligenz auf die Bühne. Doch statt Innovation kommt Ernüchterung: Wo smarte Software und Theater verschmelzen sollen, entstehen oft nur technische Stolpersteine.

Wo auch immer sie uns begegnet, verspricht sie Innovation: die Künstliche Intelligenz. Als Gegenstand der Reflexion ist sie schon seit einiger Zeit auf den deutschen Bühnen präsent, zuletzt etwa in Jan-Christoph Gockels faszinierendem Faust I & II-Abend am Schauspiel Frankfurt, der anhand von Goethes Drama den ungebremsten Fortschrittswillen als Quelle eines selbstzerstörerischen Technologiekapitalismus ausmacht. Anders sieht es hingegen bei der direkten Integration smarter und selbstlernender Software in die Inszenierungspraxis selbst aus. Wie dies gelingen könnte, wollte das PAD-Festival („Performing, Arts & Digitalität“) in Wiesbaden zeigen – und dokumentierte in Teilen das Scheitern dieser Bemühungen.

Herausforderung der KI-Integration

Eine anschauliche Demonstration bot dafür Michael von zur Mühlens „The Weird & the Eerie“ (unsere Kritik dazu gibt es hier). Während im Vordergrund Musiker:innen und der Textautor Thomas Köck die Soundkulisse schaffen, befindet sich eine Person aus der Combo auf einer Sprecherposition. Mithilfe eines Joysticks steuert sie eine digitale Figur auf einer Leinwand über der Bühne und unterhält sich mit diversen Avataren der anwesenden Künstler:innen. Wir streifen durch eine Schneelandschaft und geraten schließlich in ein österreichisches Dorf, wo bald schon Soldaten aufkreuzen. Hinter dieser bizarren Oberflächenhandlung steckt indessen vor allem eine Auseinandersetzung mit der Geschichte: Auf welche Weise entstehen Faschismus und Gewalt? Wo haben sie ihre kulturellen Wurzeln? Diese Frage diskutieren die Performer:innen, darunter Katharina Ernst, Annea Lounatvuori und Andreas Spechtl, im Dialog mit den KI-Erscheinungen. Wenn sie denn wollen! Da alles live stattfindet, mithin die Maschine eben ihren eigenen Kopf hat, kommen manchmal sogar keine Gespräche zustande. Entstanden ist ein spannendes, mutiges Experiment, das aber letztendlich nur belegt: KI und Theater, so richtig passen diese beiden Formen (noch) nicht zueinander.

Foto: Esther Horvath

„Instrumentalities for Common Grounds“. Das Bayelva Permafrost Observatorium. Foto: Esther Horvath

Evident wird dies ebenso in der „partizipativen Konzert-Lecture“ „Instrumentalities for common Grounds“. Auf Basis von binnen zwanzig Jahren gesammelter Klimadaten aus der Arktis hat das Sono-Choreographic Collective ein sechzigminütiges Klangspektakel geschaffen. Dazu versammelt sich eine Gruppe um einen Tisch in der Krypta der Marktkirche und lauscht den Berichten der beiden Konzeptkünstler:innen. Neben den artifiziellen Electro-Ton-Sequenzen bildet ein Blatt Papier einen weiteren ‚Erfahrungsraum‘. Immer wieder sollen die Anwesenden es zusammenknüllen und auffalten. Sie sollen die Veränderungen fühlen, wie eine sich stetig verwandelnde, geologische Formation. Das Ganze wird unterstützt durch Sensoren, die den Tisch in Vibration versetzen. Obwohl die Performance avantgardistisch daherkommen will, sorgt sie doch für ziemliche Ernüchterung. Sie versteht sich als Übung in Sachen Achtsamkeitstheater, didaktisch und schnöde.

Virtuelle Welten: Eine sterile Zukunft

Ist das demnach alles, was wir von virtuellen Realitäten und KI mitnehmen können? Wohl kaum. Denn das PAD testet auch Möglichkeiten der Immersion aus. Geradezu psychedelisch nimmt uns die schillernde Verfilmung von Leif Randts Zukunftsroman „Planet Magnon“, arrangiert mit Schauspieler:innen der Münchner Kammerspiele (Regie: Luis August Krawen), in Beschlag. Wir tauchen in eine ideale Welt ein. Unter der Ägide einer künstlichen Intelligenz sind die menschlichen Konflikte beigelegt. Der Kosmos ist befriedet, aber steril und dadurch irgendwie doch unmenschlich.

Eine Neuinterpretation von Arnold Schönbergs Monooper „Erwartung“ in der virtuellen Realität lehrt uns hingegen das Fürchten. Nachdem man anfangs noch mit einem weiblichen Avatar durch einen zauberhaften, dunklen Wald umherirrt und zur atonalen Musik Pilze sammelt, lässt uns Regisseur André Bücker auf deren Geliebten treffen. Er ist tot und das Haus, vor dem seine Leiche liegt, steht schon bald in Flammen. Drastisch, markerschütternd fällt dieses Gaming-Konzept aus. Hier kann man nicht wegschauen, oder weggehen. Man fällt als Protagonist:in in den Abgrund.

Foto: heimspiel GmbH

Die Übersetzung Arnold Schönbergs 1924 uraufgeführter Monooper „Erwartung“. Foto: Heimspiel GmbH

Eine Lektion in Körperlichkeit

Wohin uns schließlich die KI führen wird? Es gibt offenbar viele Wege, wie das PAD nahelegt. Selten erzeugen theatrale Synthesen mit ihr bislang starke Emotionen. Das körperliche Ereignis, die Interaktion mit echten Gesichtern, Blicken und Berührungen vermag sie, ohne in einen Kulturkonservatismus zu verfallen, schlichtweg nicht zu ersetzen. Auch das kann ja schon eine wichtige Erkenntnis nach so einem Festival sein.

Was darüber hinaus in Wiesbaden zum Tragen kommt, ist eine sich verschärfende Ungleichheit. Denn all diese Performances dürften kaum jene erreichen, die bereits jetzt zu den digital Abgehängten gehören. Dass ein Teil der Darbietungen fast gänzlich in Englisch (ohne Untertitel) gehalten war, bestätigt diesen Eindruck noch mehr. Dabei sind doch Festivals wie dieses vor allem an demokratischer Partizipation interessiert. Nun ja, dieses Paradox lässt sich am Ende nicht auflösen.