Kino: „Ein Triumph“
Foto: Cover „Ein Triumph“ von Emmanuel Courcel © Filmwelt Text:Andreas Falentin, am 15. Dezember 2022
Ein toller Entwurf: Ein erfolgloser Schauspieler nimmt einen Job im Gefängnis an. Er studiert mit einer Gruppe Strafgefangener Samuel Becketts „Warten auf Godot“ ein. Nach anfänglichen Reibereien und Problemen sind alle begeistert. Die Gruppe darf mehrfach „draußen“ spielen, in Theatern. Kurz vor einer geplanten Vorstellung im Pariser Odéon hauen die Gefangenen einfach ab.
„Ein Triumph“ von Emmanuel Courcol hat viele Vorzüge. Der Alltag in der Strafanstalt wird in jeder Hinsicht differenziert gezeigt, ohne in kleinlichen Realismus zu verfallen. Die Figuren der Theater spielenden Häftlinge sind liebevoll gezeichnet, gleichermaßen plastisch und zart. Man glaubt die Verbrechen in ihrer Biographie wie das Entflammen für Becketts Text– bei den einen sofort, bei anderen nach und nach. Und der Film führt vor, wie kraftvoll und zeitlos „Warten auf Godot“ ist, auch wenn nur wenige Szenen aus der fertigen Aufführung zu sehen sind. Man möchte fast von Wahrheit sprechen. Dazu ist mit Kad Merad (als frustrierter Schauspieler und Regisseur der Aufführung) einer von Frankreichs größten lebenden Filmstars verpflichtet worden, der offensichtlich ein Teamplayer ist und einfach wunderbar gelassen spielt. Zwei Mitglieder der Comédie Francaise sind – als Gefängnisleiterin und Kultur-Apparatschick – ebenfalls Teil der Besetzung und werden allein durch ihre Bewegungen und den Klang ihrer Stimmen zu Oberschicht-Gegenfiguren. So wird mit leichter Hand und in einer eher intimen Geschichte ein komplettes gesellschaftliches Panorama lebendig. Das gesamte Konstrukt stimmt und hat, bei allem Ernst der Situation, wirklich viel Witz. Man wird berührt, ohne dass der Film je ins Sentimentale abrutscht.
Komödie des Jahres?
Es ist also kein Zufall, dass „Ein Triumph“ 2020 zu den Filmfestspielen in Cannes eingeladen war (Corona verzögerte den Kinostart wie bei so vielen Filmen) und mit dem Europäischen Filmpreis als „Komödie des Jahres“ ausgezeichnet wurde.
Tatsächlich basiert der Film auf einer wahren Geschichte, die sich ähnlich 1985 in Schweden ereignete, nur, dass die Häftlinge hier sozusagen früher ausgebrochen sind, vor der ersten großen Aufführung des ganzen Beckett-Stücks in Göteborg. Der Regisseur Jan Jönson trat an ihrer Stelle vors Publikum und redete sich seine Erlebnisse im Gefängnis von der Seele. Der Erfolg war gewaltig. Jönson arbeitete weiter in Gefängnissen, sogar in den USA und trat mit einem Monolog über seine Arbeit viele Jahre lang weltweit auf, auch in Deutschland, etwa 2000 an der Berliner Volksbühne. Er hat sogar ein Buch über diese Erlebnisse und seine sich daraus ergebenden Begegnungen mit Samuel Beckett geschrieben, das unter dem Titel „Was Herr Godot mir gesagt hat“ 2005 auch in deutscher Sprache erschienen ist
Auch im Film tritt der Regisseur vors Publikum im voll besetzten Theater, zunächst nach der klassischen Maxime: „The Show must go on!“ Und Kad Merad macht das großartig. Aber zumindest meine Gedanken und Gefühle waren in diesen Minuten bei den „Ausreißern“. Wo gehen die hin, wie finden sie sich in einer Welt zurecht, in der sie jahrelang nicht gelebt haben? Das handelt „Ein Triumpf“ nur in kurzen, vorbeiwischenden Szenen ab und drumherum sehen wir immer wieder, wie dem Schauspieler im Theater begeistert zugehört wird, womit eine neue Karriere beginnt.
Hier stimmt also die Richtung vielleicht nicht ganz. Aber das ist Kritikastern auf sehr hohem Niveau. Denn wann wäre je in Deutschland eine derart subtile und lebensnahe Komödie produziert worden?
„Un Triomphe“ von Emmanuel Courcol wurde 2020 in Frankreich gemeinsam von Agat Films & Cie und Les Productions du Cht’mi produziert. Der Film wird in Deutschland durch Filmwelt verliehen, ist 106 Minuten lang und ab dem 15. Dezember 2022 in deutschen Kinos zu sehen. Einen Trailer gibt es HIER.