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Kino: Dann gehste eben nach Parchim…

Der Dokumentarfilm „Dann gehste eben nach Parchim – von der Leidenschaft des jungen Theaters“ von Dieter Schumann ist ein nostalgischer, aber wacher Blick in die deutsche Theaterlandschaft.

Zwei junge Schauspielerinnen ziehen von Hamburg, wo sie auf der Schauspielschule waren, nach Parchim, einer Kleinstadt in Mecklenburg, ins Erstengagement. Sie entdecken eine neue Welt: Die Wohnung ist billiger, der Arbeitsplatz ist pittoresk, alles wirkt alt, alles scheint nach Abschminke und Holzspänen zu duften. Das Ensemble ist eine echte Gemeinschaft, die Regisseure, etwa Jule Kracht und Frank Voigtmann („Es muss eine Not da sein!“), arbeiten nicht nur sehr genau an den Stücken, sondern haben auch ihr Publikum im Blick und die Absicht, dass sich die Schauspielerinnen durch die Zusammenarbeit zu verbessern. Und der Theaterleiter, Thomas Ott-Albrecht, ist nicht nur Entscheider, sondern auch Kumpel. Dieses Landestheater Parchim porträtiert der Dokumentarfilmer Dieter Schuman wie ein verlorengegangenes Paradies, weit weg von der Theaterwirklichkeit in den großen Städten.

Nur das Spielen hilft

Aber selbst in dieses Idyll brechen Selbstzweifel der jungen Schauspielerinnen ein und ihre Einsamkeit, auch hier müssen sie durchaus schmerzhaft mit ihren eigenen Biografien umgehen in der fremden Umgebung. Das „Nicht-besetzt-werden“ in der Corona-Zeit ­– der Film „spielt“ in den Jahren 2021 bis 2023 – wirft die Schauspielerinnen unglaublich weit zurück. Nur das Spielen hilft.

Dieses Theater- und Schauspielerinnenporträt ist eine sensibel erzählte, bewusst klein gehaltene Geschichte. Das Theater ist hier auch eine Art Exil für verwundete Seelen. Man spürt den Zusammenhalt und die Leere, dass es nicht einfach aber möglich ist, beruflich zu wachsen. Ein wenig schade ist das Ende: Der großzügige Theaterneubau in Parchim wird nicht nur als Bekenntnis der Gesellschaft zum Theater gefeiert, sondern auch als Zäsur inszeniert. Aber die Biografien der Schauspielerinnen berührt das gar nicht. Nur für das Theater und seine, durch den Neubau abgeschlossene Fusion von 2017 mit dem Mecklenburgischen Staatstheater, ist es wichtig. So verliert der so zugewandte Film ausgerechnet am Ende seine Hauptfiguren aus dem Fokus.

 

Das alte Landestheater Parchim

 

„Dann gehste eben nach Parchim – von der Leidenschaft des jungen Theaters“, Deutschland 2023, 94 Minuten, R: Dieter Schumann, wird vom 6. – 20. Mai auf der digitalen Leinwand (für 5 Euro) des DOK.fest zu sehen sein, Deutschlands größtes Dokumentarfilmfestival mit über 30 Filmen im Kino, „das Publikumsfestival für den gesellschaftlich relevanten und künstlerisch wertvollen Dokumentarfilm.“ Die Auswahl der Filme reicht 2024 von dem Eröffnungsfilm „Watching you – die Welt von Palantir und Alex Kapp!“ über digitalen Kapitalismus, über andere politische Themen wie „The Basement“ (Ukraine 2024) über ein kollektives Dorf-Trauma in der Ukraine oder „The Black Garden“ über eine Männer-dominierende Gesellschaft in Begkarabach (Frankreich 2024) bis zu sozialen Themen wie „Johatsu – die sich in Luft auflösen“ (Deutschland 2024) über Night Moving Companies in Japan bis zu „Just hear me out“ (Polen 2024) über Schizophrenie.