V.l.n.r.: Nicolas Stemann, Andreas Karlaganis, Kay Voges

Drei Männer im Westen

Die drei großen Schauspielhäuser im Westen bekommen neue Männer an die Spitze: Der Schweizer Dramaturg Andreas Karlaganis wird 2026 Intendant des Düsseldorfer Schauspielhauses, der Regisseur Nicolas Stemann übernimmt ein Jahr später die Leitung des Schauspielhauses Bochum. Und am Schauspiel Köln wird bereits im nächsten Jahr Kay Voges neu beginnen.

Die am Mittwoch bekannt gewordene Berufung des Dramaturgen Andreas Karlaganis zum künftigen Intendanten des Düsseldorfer Schauspielhauses überrascht zunächst. Der 1975 in Bern Geborene studierte in Bern, Zürich und Berlin, begann 2006 am Schauspiel Graz als Dramaturg. Es folgten das Residenztheater in München, das Schauspielhaus Zürich. 2019 wechselte er ans Wiener Burgtheater, ab 2021 war er leitender Dramaturg, seit 2023 stellvertretender künstlerischer Direktor von Martin Kušej. Überregional ist Karlaganis bislang nicht aufgefallen, zumal er im Schatten seines umstrittenen Chefs in Wien wirkte. Hier lesen Sie ein Resümee zu Kušejs mäßig glücklicher Intendanz.

Kontinuität in Düsseldorf

Der 49-jährige Karlaganis wird auf den Dramaturgen Wilfried Schulz folgen, der das Haus seit 2016 erfolgreich geleitet hat. Gerade veröffentlichte das Theater die Zuschauerzahlen für die vergangene Saison: der höchste Wert seit 35 Jahren. Das Haus wurde mit zwei Produktionen für den Deutschen Theaterpreis DER FAUST nominiert. Mit dem etablierten Jungen Schauspielhaus (hier eine Kritik zur aktuellen Produktion „Faust 1+2+3”), das demnächst mit dem Central eine Spielstätte mitten in der Stadt erhalten wird, und mit der seit 2021 bestehenden Sparte Stadt:Kollektiv ist das Haus künstlerisch und strategisch in der Stadt hervorragend aufgestellt. Und dabei befand sich das Theater vor dem Start von Schulz und seinem Team, vor weniger als zehn Jahren nach der gescheiterten Intendanz von Valdemar Holm, noch in einer existenziellen Krise.

Der in einem Interview mit der Rheinischen Post von Karlaganis geäußerte offene Theaterbegriff ohne Vorbehalte zu zirzensischem und unterhaltsamem Theater, verbunden mit einem Bekenntnis zu Elfriede Jelinek, zeigt, dass insgesamt eine Fortsetzung des Weges der letzten Jahre zu erwarten ist: eine kluge Dramaturgie, ein starkes Ensemble sowie eine ausgewogene Mischung aus Solidem, Unterhaltsamem und neuen künstlerischen Handschriften.

Eine Art Fortsetzung auch in Bochum

Das Schauspielhaus Bochum gehörte unter dem Intendanten Johan Simons zu den führenden Sprechtheatern des Landes. Mit den herausragenden Protagonist:innen Sandra Hüller und Jens Harzer sowie einem starken Ensemble und teils herausragenden Inszenierungen – wie in der letzten Spielzeit Christopher Rüpings „Trauer ist das Ding mit Federn“. Auch hat sich das Theater unter dem Niederländer Simons internationalisiert und spartenübergreifend erweitert, das Junge Schauspielhaus arbeitet konsequent an neuen Formaten.

Bei allem Erfolg scheint die Arbeit des traditionsreichen Hauses das Publikum in der Stadt jedoch nur bedingt zu erreichen. Auch Vorstellungen mit Hüller und Harzer waren nicht immer ausverkauft. Die Liebe der Bochumer für ihr Haus wirkt abgekühlt. Mit dem gestern offiziell gemachten Nachfolger Nicolas Stemann deutet auch in Bochum vieles auf Kontinuität am Schauspielhaus hin. Stemann ist wie Simons ein renommierter Regisseur. Und auch bei Stemanns letzter (und erster) Intendantenstation, dem Zürcher Schauspielhaus fällt die Bilanz gemischt aus. Neben starken Inszenierungen standen schwache Verkaufszahlen. Stemann und sein Ko-Intendant Benjamin Blomberg versuchten viel Neues und verloren dabei teilweise das eingesessene Publikum.

Kontinuität verspricht die Verpflichtung des 55-Jährigen Stemanns für Bochum auch deshalb, weil die Schauspielhäuser in Zürich und Bochum in den letzten Jahren bereits intensiv kooperiert haben. So wurden Inszenierungen Christopher Rüpings zwischen beiden Häusern ausgetauscht. Da Stemann erst 2027 beginnt, verlängert der 78-jährige Simons noch einmal um ein Jahr. Auffällig ist, dass Stemann diesmal die alleinige Leitung zu übernehmen scheint, die Zürcher Ko-Intendanz scheint sich also auch aus seiner Sicht nicht bewährt zu haben.

Krise in Köln

Schon länger steht fest, dass im nächsten Jahr das Schauspiel Köln – und damit das dritte große Schauspielhaus in Nordrhein-Westfalen – von Kay Voges geleitet wird. Der derzeitige Intendant des Wiener Volkstheaters hat als Förderer digitaler Theaterformen in Dortmund mit der Akademie für Theater und Digitalität deutliche Spuren hinterlassen und im Frühjahr mit der Inszenierung der Correctiv-Recherche zum berühmt-berüchtigten Potsdamer Treffen für Furore gesorgt. (Im aktuellen Heft der DEUTSCHEN BÜHNE schreibt Dorte-Lena Eilers anhand dieser Inszenierung über das Verhältnis von Theater und Journalismus.)

In Köln liegen derzeit die Nerven der Kulturpolitik bloß angesichts der jüngsten Schreckensmeldungen von der unendlichen Theatersanierung. Bei einer Dauerbaustelle in der Innenstadt und galoppierenden Kosten wird die Sympathie der Bürgerschaft mit den Städtischen Bühnen seit Jahren schwer strapaziert. Ein Abbruch der Sanierung wird diskutiert, die Perspektiven der Städtischen Bühnen sind vage, auch wenn das Schauspiel sich mit der Ausweichspielstätte in Köln-Mülheim hervorragend arrangiert hat. Vielleicht ist der medienaffine 52-jährige Voges gerade der Richtige unter diesen Umständen, für die Darstellenden Künste einzustehen. Sein Ziel war diese Art von Baustelle sicherlich nicht.

Drei Männer sollen es richten

Auch wenn jedes Theater für sich steht: Es ist auffällig, dass die drei großen Schauspielhäuser im Westen nun von mittelalten Männern übernommen werden. Fast wirkt es, als wären die Verantwortlichen bei den Neuberufungen vor neuen Perspektiven, gar vor alternativen Führungsmodellen zurückgeschreckt. Nun haben es die drei Berufenen in der Hand, gute Teams zusammenzustellen und den rechten Weg zwischen Experiment und Publikumsansprache zu finden.

Für den Deutschen Theaterpreis DER FAUST 2024 erhielt das Düsseldorfer Schauspielhaus zwei Nomnierungen, das Schauspielhaus Bochum drei, das Schauspiel Köln ging leer aus.