Was gibt’s denn da zu lachen?
Foto: Dramaturgische Gesellschaft © Stefanie Sargnagel Text:Lucie Mohme, am 23. April 2024
Die Jahreskonferenz der Dramaturgischen Gesellschaft 2024 fragte in Wien unter dem Motto „Was gibt’s denn da zu lachen?” nach Formen und Relevanz von Humor im Theater. Auch der schlechte Ruf von Komödien stand zur Diskussion. Autorin Lucie Mohme hat ausgewählte Veranstaltungen besucht. Passend zum Thema erscheint am 15. Mai die nächste Ausgabe der DEUTSCHEN BÜHNE mit dem Schwerpunkt „Unverzichtbar: Unterhaltungstheater“.
Die Komödie hat den verpönten Ruf, „leichte“ Unterhaltung zu sein. Die Antwort auf die Frage nach guten Komödien bleibt verhalten. Oder besser gesagt die Frage: Wer schreibt denn mal eine politisch-korrekte Komödie, ohne auf Kosten anderer zu gehen und die dennoch zum Lachen einlädt? Schwierig. Der Fokus der Jahreskonferenz 2024 der Dramaturgischen Gesellschaft liegt auf Humor und Klasse. Wie es der Titel der Tagung schon sagt „Was gibt’s denn da zu lachen? – Humor und Klasse im Theater“, ist die Frage, wann, wo und wieso zu lachen ist, auch eine Frage der Klasse, eine Frage der Gesellschaft.
Wer ist da und was sind die großen Fragen?
Die Dramaturgische Gesellschaft veranstaltet jedes Jahr eine Konferenz, zu der Dramaturg:innen, aber auch jede dem Theater assoziierte Person, von Studierenden bis hin zu Theaterkritiker:innen anreisen können. Dieses Jahr fand das Treffen am Theater am Werk in Wien am Petersplatz sowie am Kabelwerk statt. Man trifft dort „alte Hasen“ oder auch „Frischlinge“ (mit dem passenden Sticker versehen); neben dem aus allen Nähten platzenden Programm von Unterhaltung, Workshop und Performances bieten die Pausen Zeit zum Vernetzen und Diskutieren.
Das Abendprogramm am Donnerstag eröffnet den Diskurs. Gehostest von Denice Bourbon zeigt PCCC* (The Politically Correct Comedy Club), wieso Witze, die nach oben kicken, den einzigen Mehrwehrt an Jokes haben. Das Line-up aus Toxische Pommes, dem Duo EsRap und Malarina bereichert mit Comedy und Rap und zeigt Facetten des Humors, die sich nicht auf Rassissmus, Sexismus oder Klassismus ausruhen. Jede Klasse lacht anders und mit unterschiedlicher subversiver Absicht.
Angst davor, lustig zu sein
Richtig ins Eingemachte auf theoretischer Ebene geht es in der ersten Podiumsdiskussion: Kabarettistin und Schauspielerin İdil Baydar alias Jilet Ayşe, mit Regisseur und Autor Yosi Wanunu, mit Performance-Künstlerin Stefanie Sourial und Regisseurin Ayşe Güvendiren, moderiert von Tobias Herzberg (Schauspielhaus Wien). Fast unison, wie es in der Mehrheit der Veranstaltungen immer wieder anklingt, sind die Redner:innen verhalten bis ängstlich gewesen, vor der Einladung auf dem Podium zu sprechen. Humor kann oft etwas sein, das situativ passiert. Absichtlich lustig sein oder gar theoretisch über Humor und einem gewissen Schema des Lustig seins zu sprechen, ist eher abschreckend.
Das Panel kommt zu nicht unbedingt konvergierenden Anhaltspukten: Ist Humor bloß ein Stilmittel im Sprech- oder Schreibakt? Oder ist es das ganze Leben? Ist Humor überhaupt etwas Leichtes oder ist es ein Trägermedium von tiefen Gefühlen, sogar traumatischen Erlebnissen?
Bewusstsein der Hierarchien
Beispielsweise argumentiert Ayşe Güvendiren, rückblickend auf die Correctiv-Inszenierung am Berliner Ensemble, dass Humor ebenfalls verletzend sein kann. In der fehlenden Ernsthaftigkeit des Abends und der komödiantischen Herangehensweise würden nicht zuletzt Ängste marginalisierter Menschen ironisiert werden. Abgebildet wurden lediglich die Täter auf der Bühne. Über Betroffene der rechtsradikalen Deportationspläne wurde kaum gesprochen. Humor kennt mit Klasse auch Hierarchien und derer sollten sich Kabarettist:innen und Autor:innen bewusst sein.
Und wie steht’s um das Komödienschreiben?
Vertreter:innen des Verband der Theaterautor:innen (VTheA) nehmen sich den Komödienbegriff als Schreibende an. Beispielsweise ist das Schreiben an weiblichen Komödien interessant. Unter der Prämisse, dass das Regelwerk des Schreibens für Komödien von Männern geschaffen ist, eröffnet sich das Feld feministischen Humors. Anknüpfend daran kommt auch der Humor, der in einer Figur an sich steckt, ins Spiel. Figuren können schon so konzipiert sein, dass sie allein auf der Bühne als Komödie funktionieren. Dramatiker David Gieselmann setzt sich theoretisch mit der Struktur von Komödien auseinander und subsummiert, dass Komik immer aus einem Ungleichgewicht zwischen Publikum und Bühnenfiguren besteht. Zuschauer:innen haben meistens einen Vorsprung und lachen über das Unwissen der Figuren.
Aus dramaturgischer Perspektive ist es nicht unbekannt, dass die Komödie eine heikle Gattung ist. Doch dass sie nur für leichte Unterhaltung sorgt, sei immer noch ein Vorurteil, geht aus der Autor:innenrunde hervor. Obwohl in Zeiten der Krisen in den letzten Jahren oft eine höhere Nachfrage nach Komödien an den Häusern ansteht, können diese auch schwierige, ja traurige Themen zugänglicher machen. Humor lässt eine gewisse Distanz zu delikaten Themen zu.
Der Kleist-Förderpreis: Die Welt des Plastikherzes
Abschließend lud eine szenische Lesung von „Herz aus Polyester“ – der Text der Kleist-Förderpreises-Gewinnerin Sarah Calörtscher – in eine Welt von Klima-Dystopie, KI-Scifi und Kapitalismuskritik ein. Mit Nuancen von Juli Zehs „Corpus Delicti“ und „Der Weg zurück“ von Dennis Kelly, zeichnet das Stück eine vielschichtige Zukunft, in der Erdlinge darum rivalisieren, endlich von der Erde an einem besseren Ort aufgenommen zu werden. Willkürlichen Fragen einer KI müssen sich die Erdlinge stellen. Was die richtige Antwort war, ist zuweilen kaum nachvollziehbar. Die vollkommene Gesundheit der Körper hat Vorrang, denn die Plastifizierung von Körpern, also das Erstarren zu Plastik, ist bereits im vollen Gange.
Vielschichtig, tiefgründig, absurd: sparsam wird das Publikum mit Informationen versorgt. Die offenen Fragen über dieses Stück konkurrieren mit Erkenntnismomenten. Ob sich diese Balance am Ende zu einer runden Inszenierung ergibt, wird Aufgabe der Regie werden. Uraufführung ist am 27. September in der Box im Deutschen Theater Berlin.
Lachen und weinen
Nach vier ereignisreichen Tagen aus komödiantischer Unterhaltung sowie kritischen Diskussionen ist die Komödie weniger abschreckend und sicherlich zugänglicher für die Teilnehmenden geworden. Vielleicht findet sich bald mehr als eine Komödie auf dem Spielplan, die nicht nur da ist, weil „wir noch etwas zum Lachen brauchen“, sondern um in feinfühliger Distanz schwierige Themen in Krisenzeiten anzugehen. Impulsanstöße gibt die Dramaturgische Gesellschaft mit ihrer Konferenz allemal. Nun sind die Teilnehmenden an der Reihe, die Denkanstöße weiterzutragen.