Buch: Volkstheater – Der rechte Angriff auf die Kunstfreiheit

Der Kulturjournalist Peter Laudenbach analysiert in seinem Buch „Volkstheater – Der rechte Angriff auf die Kunstfreiheit“ auf deutliche Weise, mit welchen Mitteln rechte Gruppierungen gegen Kultureinrichtungen vorgehen.

Rund 100 Fälle hat er erfasst. Der Journalist Peter Laudenbach, Theaterkritiker u. a. für die Süddeutsche Zeitung, hat rechte Angriffe auf Kultureinrichtungen in Deutschland dokumentiert (von 2016 bis 2021, in Zusammenarbeit mit dem Bündnis „Die Vielen“), und allein, wer die nun in seinem Buch „Volkstheater – Der rechte Angriff auf die Kunstfreiheit“ versammelte Chronik dieser Fälle studiert, mag schlucken. Nicht nur, weil die Bandbreite der Vergehen von Sachbeschädigung über Morddrohungen bis hin zur Körperverletzung reicht. Sondern auch, weil allein die Masse der Taten die zugrundeliegende Systematik kenntlich macht – es handelt sich nicht um „isolierte Phänomene“. Zwar hatte Peter Laudenbach die Fälle selbst bereits vorher in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht, in seinem Buch aber untersucht er nun Hintergründe und Zusammenhänge. Und natürlich ist die Welt seither nicht stehen geblieben – man denke etwa an den gewalttätigen Übergriff auf einen Kulturschaffenden Anfang des Jahres in Chemnitz oder daran, wie der bayerische Wirtschaftminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) kürzlich bei einer Demonstration in Erding auf offener Bühne in AfD-Manier im rechten Wähler:innenspektrum zu fischen versuchte. Laudenbachs Ausführungen sind also trotz zeitlichem Abstand nicht minder aktuell oder dringlich.

Wieso die Erkenntnis, dass es sich eben nicht um Einzelfälle handelt, ebenso eindeutig wie ernüchternd ist, zeigen Laudenbachs weitere Ausführungen im Buch, in denen er die Vorgehensweisen rechter Übergriffe und ihre Zusammenhänge mit rechter politischer Agitation klar und analytisch darzulegen weiß. Hierfür zitiert er unter anderem prominente Politikwissenschaftler, Soziologen und Populismusforscher wie Jan-Werner Müller oder Wilhelm Heitmeyer auf der einen Seite, auf der anderen Seite zahlreiche Äußerungen rechter Politiker vor allem der AfD. Letztere zu lesen ist zwar unerträglich, aber eben sehr aufschlussreich.

Gleich zu Beginn macht Laudenbach außerdem klar, dass all die Übergriffe „kein Nischenproblem einiger Kunstinteressierter [sind]. Die attackierten Theater, Buchhandlungen, Musikfestivals und Kulturzentren stehen stellvertretend für eine halbwegs liberale, demokratische Gesellschaft“. Unter dem in kurzer selbstkritischer Reflexion erläuterten Begriff der „Neuen Rechten“ (als Begriff etwas pauschal und nicht ganz genau, allein, da viele der genannten Probleme auch nicht neu sind, wie Laudenbach selbst festhält) subsummiert der Autor ein breites Spektrum rechter, rechtspopulistischer und rechtsradikaler Gruppierungen.

Wenn Peter Laudenbach dann im Folgenden Handlungsmuster und Bedrohungsallianzen darlegt, wenn er Antworten auf die Frage sucht und findet, wieso sich rechte Kräfte durch Kunst und Kultur überhaupt bedroht fühlen, dann geschieht dies nicht nur eloquent und scharfsinnig, sondern auch, obschon der Autor aus seiner eigenen demokratischen Haltung keinen Hehl macht, sachlich und faktenorientiert. Die Lektüre dieser Analysen ist erhellend und bedrückend, einleuchtend und erschreckend. Nicht, dass man um die Härte rechter Aggression gegen die Kunstfreiheit nicht schon gewusst hätte – den Umstand, dass Einschüchterung und Gewalt in rechten Kreisen natürlich eine lange Tradition haben, spart der Autor insgesamt eher aus, um den Fokus auf die Gegenwart zu richten (obwohl eine kurze Erinnerung daran nie schadet). Doch die Perfidität der Agitation, die aufmerksamkeitsheischende Symbolik der Gewalttaten so vor Augen geführt zu bekommen, ist dann doch reichlich ernüchternd.

Gleichzeitig zeigt Laudenbach auch, wie Solidarität, Zutrauen und Gegenwehr aussehen. Und welche Rolle hierbei die Theaterarbeit spielen kann. Etwa, wenn er aus dem Gespräch mit dem Intendanten Steffen Mensching vom Theater Rudolstadt (siehe auch hier unser Porträt über Mensching) zitiert, der da sagt: „Überzeugte Rassisten, Leute, die Verschwörungstheorien anhängen, wird man nicht mit Kultur, mit Dichtung, mit Poesie überzeugen. Es geht um den Kampf um die Indifferenten, die aus anderen Gründen diese Partei wählen, vielleicht aus Unkenntnis, vielleicht aus falscher Hoffnung.“ Und weiter: „Unser wichtigster Verbündeter ist unser Publikum“. Elementare Erkenntnis und Überlebensstrategie gleichermaßen.

 

Peter Laudenbach: Volkstheater – Der rechte Angriff auf die Kunstfreiheit. Verlag Klaus Wagenbach, 23. März 2023, 144 Seiten, Buch 12,– € / E-Book 9,99 €, ISBN 978-3-8031-3731-9