Zum Tod von Wilhelm Roth
Foto: Der Film- und Theaterjournalist Wilhelm Roth © epd Film Text:Detlef Brandenburg, am 14. März 2023
Über viele Jahre, ja, über Jahrzehnte hinweg war Wilhelm Roth unser Mann in Frankfurt. Mit großer Liebe und Sachkenntnis beobachtete er die Theater in und weit um Frankfurt am Main herum, fuhr zu Premieren, machte Reportagen und Interviews, schlug Themen vor, bereicherte unsere Autorenumfrage durch kluge Kommentare. Und als ihm später Krankheiten zu schaffen machten und seine Mobilität einschränkten – da berichtete er für DIE DEUTSCHE BÜHNE halt von seinen Erfahrungen als gehbehinderter Besucher der Frankfurter Bühnen.
Dabei waren es tatsächlich zwei Herzen, die in der Brust dieses bedingungslos kunstbegeisterten und leidenschaftlich sendungsbewussten Journalisten ziemlich gleich heftig schlugen. Studiert hatte er Geschichte und Germanistik und wollte über den Dokumentarfilm als historische Quelle promovieren – bis ihm der Journalismus in die Quere kam, und zwar der Film-Journalismus. 1965 stieg er bei der Filmredaktion des WDR ein, dockte bald bei der für ihre betont politische und avantgardistische Haltung berühmten Zeitschrift Filmkritik an, 1982 erschien dann tatsächlich ein wegweisendes Buch über den „Dokumentarfilm seit 1960“ von ihm. 1981 wurde er verantwortlicher Redakteur von epd Kirche und Film, 1984 brachte er gemeinsam mit der Redakteurin Bettina Tienhaus das erste Heft von epd Film heraus (den lesenswerten Nachruf der Kollegen finden sie hier). Er lenkte die Geschicke dieser Zeitschrift, bis er 2002 in den Ruhestand ging.
Wie er es daneben noch schaffte, regelmäßig ins Theater zu gehen, sich auch über die Berliner Theaterszene auf dem Laufenden zu halten und keinen Weg zu einer der kleineren Bühnen in Hessen, Rheinland-Pfalz oder Baden-Württemberg auszulassen – wenn ich ihn mal danach fragte, kam stets nur eine Art rhetorisches Axelzucken von ihm: „Ach, was soll ich denn zuhause?“. Unsere Redaktion hatte zu diesem ebenso verdienstvollen wie bescheidenen Kollegen ein wunderbares Verhältnis, er war uns ein wertvoller Gesprächspartner mit weitem Horizont und großem Herzen. Geboren wurde er 1937 in Regensburg, eine gewisse bayerische Jovialität hat er sich bis ins hohe Alter bewahrt. Erst jetzt erreichte uns die Nachricht, dass dieser liebenswerte Kunstliebhaber und nimmermüde Kollege Ende Februar, wenige Tage nach seinem 86. Geburtstag, in Frankfurt am Main verstorben ist. Ich möchte vermuten, dass er sich das Theater jetzt von oben anschaut.