Adrian Sâmpetrean (Leporello) und Seth Carico (Don Giovanni) am Anfang des zweiten Aktes.

Im leeren Labyrinth

Wolfgang Amadeus Mozart: Don Giovanni

Theater:Oper Köln, Premiere:09.03.2025Regie:Cecilia LigorioMusikalische Leitung:Tomáš Netopil

Musikalisch fasziniert der neue „Don Giovanni“ an der Kölner Oper. Die Inszenierung von Cecilia Ligorio hat einen plastischen Titelhelden, eine handwerklich ausgereifte Personenführung und wirkt trotzdem etwas unreflektiert.

Wer ist „Don Giovanni“ auf der Theaterbühne: ein barocker Halodri, ein Prinzip ohne Seele oder ein heutiger Mensch? Die Kölner Inszenierung von Cecilia Ligorio trifft eine fast schmerzhafte Entscheidung. Ihr Don Giovanni ist ein sehr von heute betrachteter Wüstling. Seth Carico singt muskulös, aber lockend, sogar sinnlich in den Rezitativen, trägt sein Hemd weit aufgeknöpft, berührt viele Frauenkörper und breitet sich körperlich aus, mit vielen ausladenden Bewegungen. Er bewegt sich schnell und fließend durch die vielen leeren Räume auf Gregorio Zurias Drehbühne. Carico fasziniert durch Stimme und Spiel, besonders im Zusammenwirken mit Adrian Sâmpetrean, den den Leporello als Jünger und Diener gibt, mit Selbstbewusstseinsausbrüchen und flüssigem Gesang.

Ohne barocken Zierrat

Vera Pierentanoni Gia mischt Farben bei. Ihre zeitlos eleganten Kostüme kleiden Giovanni und Leporello in Gold, Anna und Ottavio in Blau, Zerlina und Masetto in Weiß und Elvira in Rot. Damit steht sie den auch in Rot gekleideten Gespielinnen Giovannis nah, die immer wieder auftauchen, von der Ouvertüre an, wo Don Giovanni mit einer Stierkopf-Maske in ihrer Mitte tanzt. Die Inszenierung hat einen Zug zur Überdeutlichkeit trotz des Verzichts auf allen barocken Zierrat. So sind die Kapellen in beiden Finalen nicht sichtbar, fehlt die Struktur durch Tänze im ersten und durch bekannte Musikstücke im zweiten Finale. Was im ersten Akt handwerklich gut kompensiert wird, aber am Ende ins Leere läuft, weil man alles, was am Ende aufgeboten wird, vor allem wieder die leicht bekleideten Gespielinnen, schon zu oft gesehen hat. Und weil das barock gedachte Schluss-Sextett in der Dramaturgie des Kölner Abends nicht funktioniert. Diesen Don Giovanni kann man vielleicht mögen, aber betrauern kann man ihn nicht.

Musikalisch erfreulich

Die musikalische Seite der Produktion erfreut. Tomáš Netopil dirigiert flüssig und disponiert Raum- und Ensembleklänge sehr stimmig. Giulia Montanari und Wolfgang Stefan Schwaiger schmeicheln sich als Bauernpaar Zerlina und Masetto jung und frisch mit viel Legato ins Ohr. Bei Christoph Seidl (Komtur) und Kathrin Zukowski (Anna) fehlt noch ein wenig stimmliche Breite zur Partie, stilistisch ist es jetzt schon eine Pracht und Dmitry Ivanchey (Ottavio, leider ohne zweite Arie) und Valentina Mastrangelo (Elvira, mit perfekter Arie „Mi Tradi…“) liefern perfekten Mozart-Gesang.

Die Inszenierung besticht durch die kundige Personenführung und räumliche Disposition. Viele kleine Details überzeugen, etwa die herzliche Beziehung zwischen Elvira und Zerlina. Trotzdem bleibt dieser „Don Giovanni“ etwas unreflektiert. Wie kann etwa 2025 ein #MeToo-Fürst ohne Wenn und Aber faszinieren und eine Elvira sich von ihm verführen lassen? Und alle sehen es und keiner tut etwas? Und wir alle feiern ihn? Müsste da die Regisseurin nicht eingreifen, mit Ironie oder Distanz? Oder haben wir das aufgegeben in der Oper, fließt heute und gestern und damals ineinander und ich muss allein entscheiden, wo ich mich befinde? Dann, nur dann, war der „Don Giovanni“ in Köln ein empfehlenswerter Theaterabend.