Foto: © Eike Walkenhorst
Text:Matthias Nöther, am 1. März 2025
Das Berliner Kollektiv für zeitgenössische Oper*ette tutti d*amore inszenieren an der Deutschen Oper Berlin den lustigen Abend „Ab in den Ring! Ein Operetten-Festspiel“ passend zu krisenhaften Zeiten. Kulturfinanzierung und Hoch- und Populärkultur werden zum satirischen Mittelpunkt.
„Ab in den Ring! Ein Operetten-Festspiel“ nennt die Deutsche Oper Berlin ihre Neuproduktion auf ihrer Werkstattbühne, der Tischlerei, die für Experimentelles vorbehalten ist. Genau genommen handelt es sich um eine Inszenierung der Operette „Die lustigen Nibelungen“ von Oscar Straus. Es wird ziemlich lustig – und zwar auf eine Art, die sehr vielen Menschen, ob opern-, operetten-affin oder nicht, gefallen dürfte. Entsprechende Reaktionen kann man in dem altersmäßig gut durchmischten Publikum der Premiere bemerken.
Dass so ein Humor in einem Opernhaus für Alle und Jeden in dieser ausdifferenzierten Gesellschaft mit ihren heterogenen Kulturbegriffen überhaupt noch möglich ist, überrascht und erfreut. Man darf konstatieren: Je ernster und krisenhafter Leben und Alltag empfunden werden, desto leichter hat es der Witz, und desto besser und allgemein kommensurabler wird er. Und die Krisenstimmung hat in Berlin all diejenigen erreicht, die der geförderten Kultur auch nur das Geringste abgewinnen können. Gerade wird bekannt, dass der Berliner Senat kaltschnäuzig auch für die kommenden Landeshaushalte Sparrunden für die Kultur aufgelegt hat, die viele kleinere Projekte zum Aufgeben und die großen Häuser in eine schlechte Art von Mainstream zwingen werden.
Satire auf solide Art
Die Produktion von Oscar Straus‘ „Lustigen Nibelungen“ durch das Musiktheater-Kollektiv tutti d*amore (Leitung: Anna Weber) ist Satire auf eigentlich sehr altmodische und solide Art: Es geht in dem Stück aus dem Jahr 1904, das eigentlich die wilhelminische Gesellschaft und ihre martialische Wagner-Seligkeit aufs Korn nahm, bereits um Geld: Siegfried ist ein reicher Sektfabrikant, dessen Reichtum und finanzielle Potenz allerdings von den Launen der Börse und der Weltmärkte abhängig sind.
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„Ab in den Ring! Ein Operetten-Festspiel“ ist die aktuelle Neuproduktion auf der Werkstattbühne der Deutschen Oper Berlin. Foto: Eike Walkenhorst
tutti d*amore hat daraus eine Satire auf Kulturfinanzierung und das Gegeneinander von Hoch- und Populärkultur gemacht. Caroline Schnitzer spielt und singt die martialische Figur der Brünhilde (eher von Hebbels Nibelungen-Drama als von Wagner inspiriert) als Vertreterin genau eines solchen freien Kollektivs, wie auch tutti d*amore es ist, und sie stellt eine alt-ehrwürdige und bisher sehr gehätschelte Kulturinstitution namens Deutsche Oper auf den Kopf.
Clubmusik statt Wagner
Der durchaus nicht ganz unrealistische Grundgedanke: Aus Spargründen hat der Berliner Senat angeordnet, dass die riesige Kulturinstitution fortan preiswert von der freien Theatertruppe betrieben werden soll – die dann allerdings auch nicht mehr Wagners Musikdramen spielen möchte, sondern Clubmusik. Die Zielgruppe dabei ist fortan: die Jungen, die Hippen, die Gen Z und alle, die es werden wollen.
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Die Deutsche Oper zeigt eine Inszenierung der Operette „Die lustigen Nibelungen“ von Oscar Straus. Foto: Eike Walkenhorst
Im Mittelpunkt allerdings stehen die, die all das erleiden: das Ensemble der Deutschen Oper, das auch weiterhin vor allem gerne Wagner singen und spielen möchte. Verkleidet als es selbst mit Flügelhelmen, Brustpanzern und Schwertern inmitten von Pappmauern und Pseudo-Mittelalter-Türmchen (Bühnenbild und Kostüme: Stella Lennert) liefern Ferhat Baday (Hagen) Ludwig Obst (Kriemhild), Evelina Smolina (Giselher / Waldvogel) und Artur Garbas (Gunther) eine sehr solide komödiantische Ensemble-Leistung.
Straus und Wagner vereint
Ferdinand Keller als hühnischer Siegfried beeindruckt mit einem schlanken und doch heldischen Tenor, der den Rahmen der Operette aber nicht sprengt. Die Dirigentin Elda Laro steht im Hintergrund der Bühne einem instrumentalen Kammerensemble vor, das die Musik von Oscar Straus und Richard Wagner (Musikalische Bearbeitung: Felix Stachelhaus) ziemlich genau in ihren kaum vereinbaren stilistischen Unterschieden zeigt.
Mut macht an diesem Abend, dass gezeigt wird, wozu ein immer noch einigermaßen stabiler Operntanker wie die Deutsche Oper in Krisenzeiten allein in der Lage ist: die Kreativität einer freien Operntruppe freizusetzen. Die Deutsche Oper tut dies, indem sie tutti d*amore auf souveräne Art günstige Produktionsbedingungen für eine Zeitsatire bietet, deren disruptives Thema – die mutwillige Vernichtung der geförderten Kultur durch eine inkompetente Landespolitik – sowohl die freie Operntruppe als auch das fest gefügte Opernhaus betrifft.