Salome Plauen Zwickau

Expedition ins Innere

Richard Strauss: Salome

Theater:Theater Plauen-Zwickau, Premiere:08.02.2025Regie:Horst Kupich Musikalische Leitung:Leo Siberski

Regisseur Horst Kupich fokussiert „Salome“ am Theater Plauen-Zwickau auf die Figuren und ihre Beziehungen. Das Orchester und GMD Leo Siberski  sind im limitierten Raum erhöht und stets sichtbar positioniert. Eine überzeugende Ensembleleistung und besondere Pointe sorgen für Begeisterung und regen zum Nachdenken an.

„Salome“ ist ein Opern-Dauerbrenner. Musikalisch genial. Und eine Herausforderung für jedes Orchester und die Protagonisten, die sich dem stellen. Neuerdings außerdem eine Steilvorlage für die überall wachsamen Triggerwarner. Hier wird allerdings tatsächlich nicht nur ein Gefangener geköpft. Hier wird dieser Kopf auch noch zum Objekt der eskalierenden Obsession einer jungen Prinzessin, in deren bisherigem Leben einiges schief gegangen sein muss. Selbst ihr übergriffiger Stiefvater gibt ganz nebenbei zu, dass er sie vielleicht „zu lieb gehabt habe“. Seit über hundert Jahren balancieren Regisseure zwischen historischem Voyeurismus und dem Versuch, in die Psyche der Figuren einzudringen. Vor allem in die von Salome, aber auch in die des Objektes ihrer erwachenden sexuellen Begierde.

Den Einakter, der auf Oscar Wildes Verarbeitung der biblischen Vorlage zurückgeht und auch in der deutschen Übersetzung von Hedwig Lachmann einen ganz eigenen poetischen Reiz entfaltet, haben nicht nur große Bühnen für sich gepachtet. In Meiningen lieferte Verena Stoiber eine Exkursion in die Welt von heute. Bei Friederike Blum in Weimar wurde daraus gerade eine phantasievolle Expedition ins Tierreich.

Ausflug ins Innere

Im schmuck renovierten Gewandhaus der Schumann-Stadt Zwickau, hat jetzt der Operndirektor des Zweistädtehauses Plauen-Zwickau Horst Kupich quasi eine Ausflug ins Innere daraus gemacht. Zu allererst in die Musik. Ausstatterin Cornelia Just hat aus den begrenzten Bühnenverhältnissen des Hauses eine Tugend gemacht und die Musiker der Clara-Schumann-Philharmoniker Plauen-Zwickau auf einen ansteigenden Hügel offen postiert. Es hat seinen ganz eigenen Reiz, GMD Leo Siberski und den Musikern bei ihrer Arbeit zuzusehen. Akustisch geht es bemerkenswert gut auf, wenn das Orchester den Protagonisten in diesem Haus im wörtlichen Sinne den Vortritt lässt. Die besondere Herausforderung, im Rücken des Dirigenten zu singen und ihn via Bildschirm im Blick zu behalten, haben sie allesamt bewältigt.

In das Verließ mit dem gefangenen Jochanaan führt ein Weg durch den Orchesterhügel leicht nach oben. Zum Eingang in den Palast des Herodes wiederum geht es vor dem Orchester nach unten in den überbauten Graben. Diese Umkehr der üblichen Zugänge kann man als einen metaphorischen Fingerzeig auf den moralischen Hintergrund des einen wie der anderen verstehen kann. Wobei der Prophet höchstens im Vergleich zum Hof des Herodes und der dort herrschenden Moral wie eine Lichtgestalt für seine Anhänger wirkt. Hört man genau auf das, was er verkündet, schreckt dessen Fundamentalismus genauso ab.

Gegenwärtige Kostüme

Diese Konstellation und die auf Gegenwart verweisenden Kostüme (von denen nur das Königspaar mit Extravaganz absticht) lenken den Fokus kammerspielartig auf die Figuren selbst und ihre Beziehungen. Natürlich auf Salome und Jochanaan. Małgorzata Pawłowska liefert das atemberaubende Porträt einer außer Rand und Band geratenen jungen Frau, die es gewohnt ist, ihren Willen durchzusetzen und dabei keine moralischen Skrupel kennt. Sie hat eine stimmliche Kraft, die imponiert. Auch nach ihrem akrobatischen Tanz, der zur handgreiflichen Attacke auf Herodes eskaliert.

Salome Plauen Zwickau

Małgorzata Pawłowska, Anthony Webb, Deniz Yetim. Foto: André Leischner

Die Choreografie, die ihr Sergei Vanaev hier verpasst hat, ist für die Zuschauer im übertragenen Sinne atemberaubend – für die Sopranisten ist sie es wahrscheinlich wortwörtlich. Doch davon wird ihre große Schlussszene nicht beeinträchtigt. Der mit freiem Oberkörper und erhobenen Predigerarmen aus dem Verließ auftauchende Jochanaan entspricht bei Johannes Schwarz nicht nur rein äußerlich mal tatsächlich dem Bild, das Salome von ihm zeichnet. Er sorgt mit seiner machtvoll transparenten Stimme bei Salome für Faszination und bei ihrer Mutter Herodias für Erschrecken. In dieser Rolle liefert Deniz Yetim ein vokal packendes und darstellerisch imponierendes Porträt einer Frau mit Vergangenheit. Sie hat den Kampf um ihren Mann noch nicht aufgegeben; bei dem mit dem Alkohol ist man da nicht so sicher.

Anthony Webb ist ein ziemlich vitaler, pragmatischer Herodes, der durchaus noch auf die Avancen seiner Frau eingeht. Aber auch alle anderen tragen zu einer überzeugenden Ensembleleistung bei. Dass man vielleicht auf einen Teil der Deko hätte verzichten können, ist geschenkt. Dass Salome hier am Ende überlebt und das Königspaar mit der Kalashnikov erschießt, ist eine Pointe, die das begeistert jubelnde Publikum als Anregung zum Nachdenken mit nach Hause nehmen kann.