Foto: © Patrick Pfeiffer
Text:Manfred Jahnke, am 17. Januar 2025
Saša Stanišićs Roman „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ über einen Krieg zwischen Moslems und Christen aus der Sicht eines Kindes spielt virtuos mit Erzählperspektiven. Felix Metzners Inszenierung fehlt trotz eines starkem Ensembles die potenzielle Tiefe der Erzählperspektiven.
In dem semi-biografischen Roman „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ – 2006 erschienen – erzählt Saša Stanišić aus der Perspektive eines Kindes die Geschichte, wie inmitten eines harmonischen Lebens ein Krieg zwischen Christen und Moslems begann. Es ist die Geschichte vom Ende Jugoslawiens, das mit dem Tod von Tito auseinanderbrach. Dieser Krieg vertrieb 1992 den Autor und seine Familie aus Višegrad. Es ist erstaunlich, wie schnell die brutalen Verfolgungen zwischen Christen und Moslems – nicht weit weg von uns – in Vergessenheit geraten sind.
Der Autor macht es klug, in die Erzählperspektive des Ichs vermittelt er zugleich andere Erzählperspektiven, wie die von Zoran, dem älteren Freund und er mischt verschiedene narrative Formen miteinander: Er montiert eigene Erfahrungen, Erzählungen anderer, wie auch Ansätze zu einem Briefroman zu einem gewaltigen Opus. Stanišić weiß um die Brüchigkeit von Erinnerung: was im ersten Teil als unmittelbares Erleben erscheint, wird im zweiten Teil gebrochen, der Ich-Erzähler – nun in Deutschland lebend – macht sich auf eine Reise zurück, um Erinnerung und Gegenwart zusammen zu bringen.
Erzähler und Erzähltes
Was Aleksander, wie der Ich-Erzähler heißt, gleich zu Beginn dieses emotional mitreißenden Romans von seinem Großvater mitbekommt, ist der wunderbare Satz: „Die wertvollste Gabe ist die Erfindung, der größte Reichtum die Fantasie.“ Und der Roman erzählt davon, was das Geschehen um ihn herum mit ihm macht. Aber was macht es, wenn der Erzähler auf der Bühne ungebrochen auf der Bühne erzählt, aber das Erzählte mit ihm nichts macht? Das ist das Problem der Inszenierung von Felix Metzner an der Württembergischen Landesbühne Esslingen: Alles, was um den Aleks des Kim Patrick Biele geschieht, es macht nichts mit ihm. Da ändert auch die symbolische Darstellung der Drina durch Eva Dorlaß, auf einer Schaukel hin und her wippend, als Nebenerzählerin nicht viel. Das Bildmaterial, das Metzner vor der Pause entwickelt, setzt frei, was der Autor in seinem Roman nicht erzählen will: Folklore.
Das Bühnenbild zeigt Sofa, Sonnenschirm und Elemente eines Marktes und Campingplatzes. Foto: Patrick Pfeiffer
Das ist schade, weil der Regie ein starkes Ensemble zur Verfügung steht. Wie Reinhold Ohngemach den sterbenden Opa anlegt, ist weise und anrührend zugleich. Wie Lily Frank als das junge Mädchen Asija, nach der Aleksander verzweifelt nach seiner Flucht sucht, vorführt, leicht verhuscht, sich sanft entziehend, den Schrecken des Krieges spüren lassend, wirkt nachdrücklich. Oder wie Martin Theuer den Onkel Bora mit einer jovialen Härte ausstattet, überzeugt. Bis auf Aleks und die Drina spielen alle Schauspieler:innen mehrere Rollen. Reyniel Ostermann, Elif Veysioglu, Marcus Michalski und Kristin Göpfert bleiben dabei in ihren Rollengestaltungen notgedrungen skizzenhaft.
Erinnern und Erzählperspektive
Wie denn die Inszenierung von Felix Metzner überhaupt wie die Skizze eines Panoramas anmutet, da wird nicht in Tiefen gebohrt. Weder wird die Brüchigkeit des Erinnerns thematisch, noch die Erzählperspektive kritisch untersucht, noch das, was dem Erzähler das Leben rettet, nämlich die Fähigkeit, Geschichten zu erfinden, wird ausgedeutet.
In seiner Fassung konzentriert Messner das Geschehen, indem er es ausdünnt. Johannes Weckl hat dazu ein Bühnenbild entwickelt, in dessen Zentrum eine Kombination aus Wohnwagen und Marktbude steht, blau und alt. Andere Bühnenbildteile wie Sofa oder Sonnenschirm werden schnell auf- und abgebaut, um Örtlichkeiten zu markieren: Ein Spiel mit hohem Tempo wird so möglich.