Foto: Fabian Mair Mitterer (Macbeth) bedroht Elias Nuriel Kohl (König Duncan / Mackie Teeth) mit einer Pistole. © Jörg Brüggemann
Text:Barbara Behrendt, am 12. Januar 2025
Das Autoren- und Regie-Team Pavlo Arie und Stas Zhyrkov bringen ihr Stück „Future Macbeth“ am Berliner Ensemble gemeinsam mit Studierenden der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch auf die Bühne. Das auf Shakespeares „Macbeth“ basierende Werk verspricht schrillen Humor, Slapstick und insgesamt einen gut unterhaltenden Abend.
Der Schauspielstudent Emil Kollmann kann es nicht fassen: Das Publikum ist tatsächlich ins Berliner Ensemble gekommen, um sich „Macbeth“ anzuschauen. Er rollt die Augen und vergräbt das Gesicht an der Bühnenwand. Dann folgt die Publikumsbeschimpfung: „Leute, es gibt echte Probleme! Was sollen wir euch hier mit so einer alten Kamelle erzählen. Schon während ich hier stehe, habt ihr eine Kriegserklärung, einen Putschversuch und ein geleaktes FDP-Papier verpasst.“
Allerdings ist er von seinen Kolleg:innen dann überraschend schnell vom Gegenwartsbezug der ollen Shakespeare-Kamelle zu überzeugen: „Die Gerissenen und Bösartigen stehen oben, die Edlen und Guten landen im Grab…“ Na, dann kann’s ja losgehen.
Wie entsteht Gewalt?
Zumindest mit den Grundmotiven, denn mehr gibt’s vom Stück über den Kriegshelden Macbeth, der sich von Hexen-Prophezeiungen und seiner ehrgeizigen Frau zum Massenmörder machen lässt, kaum zu sehen. Der Stoff dient eher als Anlass, um im neuen Stücktext „Future Macbeth“ darüber nachzudenken, wie ein Tyrann gemacht wird, wie Gewalt entsteht. Und zwar, das ist die Überraschung, in einer schrillen Komödie.
Grund für diese Genrewahl ist wohl auch, dass der ukrainische Autor Pavlo Arie das Stück mit dem Ensemble entwickelt hat (Regie: Stas Zhyrkov): Der Abend ist in Kooperation mit den Schauspielstudierenden der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch entstanden. Die jungen Spieler:innen scheinen den Stoff ins Heute holen und unterhaltsam erzählen zu wollen. Dafür sind einige feministische Umdeutungen nötig. Macbeths treuer Kriegsfreund und Waffenbruder Banquo, den er später ermorden lässt, ist hier eine Waffenschwester (Magdalena Gräslund). Und Lady Macbeth (Antonia Siems) hat erst das Patriarchat und der grausame Krieg zum skrupellosen Machtmenschen geformt.
Die Hexen werden zu Fernseh-Moderatorinnen
Dem Übernatürlichen schwört die Inszenierung gänzlich ab. Die drei Hexen, die Macbeth seinen Aufstieg prophezeien, treten zwar mit schwarzen Krallen auf, sitzen aber in einem modernen, weißen Fernsehstudio: Es sind drei Moderatorinnen einer reißerischen Kriegssendung. Mit schrillem Gelächter und affektiertem Gehabe bejubeln sie Macbeth. Gleichzeitig verlesen sie Social-Media-Kommentare, die ihn ebenfalls als Helden feiern. Macbeth wird mit Fake News und Propaganda zum Diktator gemacht.
Der Gedanke an Putin und Trump liegt natürlich nah. Verweise gibt es auf der Bühne durchaus: Die rote Schirmmütze des Königs trägt die Aufschrift „Make Violance Great Again“. Und die Moderatorinnen berichten nach dem Auffinden des erschossenen (!) Königs von einem offensichtlich „natürlichen Tod“ – wie in jeder Kreml-Propaganda. Konkretere Parallelen ziehen Pavlo Arie und Stas Zhyrkov aber nicht.
„Future Macbeth“ will die Assoziationen so breit wie möglich belassen. Nicht nur um Massenmörder und Despoten geht es hier, sondern um die Frage nach den Mechanismen, die Menschen ganz allgemein zu Mördern macht. Sei es nun im Ehebett oder auf dem Kriegsschlachtfeld.
Albernheiten und Affengeschrei
Die Analyse ist düster – wandelt sich auf der Bühne aber mit vielen Albernheiten zur schrillen Farce. Macbeth, gespielt von Fabian Mair Mitterer, ist hier ein blonder Weichling in weißen Rüschen, mit Herzchen auf die Brust genäht. Ein Schulbub, der sich von seiner Frau nach dem Pinkeln die Hose zuknöpfen lässt und dem die Knie schlottern, wenn er eine Pistole nur von weitem sieht.
Bis, das ist dann tatsächlich lustig, das Team ihm den Schmachtfetzen „Hero“ von Enrique Iglesias schmettert – im Text das „dance“ durch ein „kill“ ersetzend: „Would you kill, if I asked you to kill?“. Noch ein paar Blumensträuße und Heldenanrufungen, und der eitle Jüngling lässt sich doch zum Mörder machen.
Wer es bis dato noch nicht kapiert hat, dem gibt der Abend Nachhilfe aus dem Tierreich: Schimpansen hassen Fremde, erklärt uns König Duncan. Gorillas verlieren bei einer Niederlage im Kampf auch ihre Familie – der Mensch ist da auch nur ein Tier unter vielen. Mit ohrenbetäubendem Affengeschrei wird die tiefschwarze Erkenntnis mitgeteilt: Jeder Mensch kann zum Mörder werden.
Energie, Drive und Spielfreude
Was Energie, Drive und Spielfreude anbelangt, macht den Studierenden niemand etwas vor. Mit großer Sicherheit und Ausdrucksstärke hämmern sie sich durch den Abend. Schade nur, dass Schauspielstudierenden nie jemand zu sagen scheint, dass man mit leisen und variierenden Tönen, mit austariertem Figurenspiel deutlich weiterkommt als mit dem zehnten Tobsuchtsanfall an der Rampe.
Mit echten Menschen haben die Karikaturen auf der Bühne wenig zu tun. Das verhindert letztlich das, was der Abend als sein Anliegen formuliert hat: Macbeth für uns hier und heute lebendig werden zu lassen. Alle könnten zum Macbeth (respektive: Putin, Stalin, Hitler…) werden, sagt die Inszenierung. Macbeth ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel – diese Moral ist dann doch allzu kurz gegriffen.